Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
sie. So schwierig und manchmal auch brutal Bern sein mochte, er stellte für sie und die Kinder Sicherheit und sogar Luxus dar. Bei dem Gedanken an die verzerrte schwarze Kralle, die die Magusch ihr hingestreckt hatte, überlief Alissana ein Schaudern. Die Lady mit den eiskalten Augen flößte ihr Furcht ein. Alissana bangte um die Sicherheit ihrer Kinder – und jetzt hatte die Magusch Bern auch noch des Diebstahls bezichtigt … Mit zitternden Händen rollte sie den Teig für ihre Pastete aus. Was, wenn Eliseth ihn in ihrem Ärger ermordete oder in etwas Unnatürliches verwandelte? Was sollte dann aus seiner Familie werden?
Bern, der die ganze Zeit über vor sich hin brummte und fluchte, prüfte die Temperatur des Wassers in dem großen Kupferkessel überm Feuer. Er hatte seiner Frau den Rücken zugekehrt. Unwillkürlich wanderte Alissanas Blick zu der Metallschachtel mit dem fest schließenden Deckel, die sicher verstaut auf einem hohen Regal stand, an das die Kinder nicht herankommen konnten. Ratten und Mäuse stellten ein ständiges Problem in der Bäckerei dar, und vor kurzem war Bern zu der einheimischen Kräuterfrau gegangen, um eine neue Portion Gift zu kaufen. Mit einem einzigen schnellen Griff langte Alissana zu dem Kasten hinauf. Bern hatte ihr immer noch den Rücken zugewandt, während sie die weißen Kristalle zwischen die Äpfel in ihrer Pastete streute. Bevor ihr Mann Zeit fand, sich umzudrehen, war die Tat vollbracht, der Kasten zurück auf seinem Regal und die obere Teigschicht aufgelegt, um das Ergebnis ihres tödlichen Werks zu verbergen. Als Alissana die Pastete in den Ofen schob, bemerkte sie, daß ihre Hände aufgehört hatten zu zittern.
Einige Zeit später saß Eliseth, jetzt sauber und erfrischt, vor einem lodernden Feuer in dem Raum, der offensichtlich das beste Schlafzimmer im Haus war. Die Tatsache, daß Bern und seine schwangere Frau ihr dieses Schlafgemach überlassen mußten, weckte bei ihr nicht die leisesten Gewissensbisse. Es war äußerst unbequem und lästig gewesen, ohne Diener auskommen zu müssen, aber jetzt erfüllte sie zum ersten Mal seit ihrer überstürzten Rückkehr nach Nexis das beruhigende Gefühl, daß das Leben bald wieder seinen gewohnten Gang gehen würde. Sie schwelgte in der Vorstellung, wie der Bäcker mit seinen schweren Eimern die Treppe hinauf und hinunter taumelte, um ihr Bad zu füllen und später wieder zu leeren. Zumindest gelegentlich waren die Sterblichen doch zu etwas nütze!
Zu ihrer unaussprechlichen Erleichterung hatte die Magusch festgestellt, daß der Bäcker, auch wenn er gealtert war, doch nicht so viele Jahre älter zu sein schien als bei ihrer letzten Begegnung. Außerdem hatte der Ausdruck auf seinem Gesicht, als er ihr die Tür öffnete, sie mit einer tiefen, boshaften Belustigung erfüllt – vielleicht würde sie ihm dafür sogar verzeihen, daß er sich so gar nicht erfreut über ihr Erscheinen gezeigt hatte.
Jetzt, da sie wußte, daß sie sich nicht allzuweit in die Zeit verirrt hatte, galt Eliseths Hauptsorge dem Zustand ihrer Hände, die das Flammenschwert so übel versengt hatte. Oh, wie sehr sie sich wünschte, sie hätte sich die Mühe gemacht, von Meiriel mehr als nur die dürftigsten Grundlagen der Heilkunst zu erlernen. Obwohl sie alles in ihrer Macht Stehende tat, konnten ihre Kräfte sie bestenfalls von dem Schmerz befreien und ein gewisses Gefühl in ihren klauenartigen Fingern zurückgeben – genug, um ihre Hände wieder benutzen zu können, aber nicht genug, um kompliziertere Aufgaben auszuführen, die einer gewissen Geschicklichkeit bedurften. Die Haut war nach wie vor versengt und geschwärzt, und daran schien sich nichts zu ändern. Sie hatte das unheilvolle Gefühl, daß das für alle Zeit so bleiben würde. Die Wettermagusch biß sich auf die Lippen und versuchte den Kloß, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte, herunterzuschlucken. Sollten doch die Dämonen das verfluchte Flammenschwert nehmen! Was hatte es ihr bloß angetan?
Berns Erscheinen schreckte Eliseth aus ihrem düsteren Grübeln auf. Er trug ein Tablett mit Essen, ein Umstand, der sie überraschte, denn sie hätte gedacht, daß er sich nicht zu einem so unterwürfigen Dienst herablassen würde, solange eine Frau in der Nähe war. Es mußte ihn schon über die Maßen erzürnt haben, ihren Badezuber zu füllen. Andererseits hatte Alissana vielleicht zu große Angst, um sich einer Magusch zu nähern – oder, was wahrscheinlicher war, Bern versuchte,
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