Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
ein anderes Muster heraus. Die Höfe wurden später leer vorgefunden, und ganze Familien waren verschwunden, die Scheunen und Felder mitsamt den Handwerkszeugen und der Ernte gestohlen. Das hatte Vannor, wie Eliseth mit boshafter Freude quittierte, fast um den Verstand gebracht. Er hatte erfolglos versucht, den rätselhaften Entführungen auf den Grund zu kommen. Schon bald wurden die Höfe aus einem anderen Grund verlassen, denn viele der außerhalb der Stadtmauern ansässigen Familien ließen ihr Land im Stich, um bei Verwandten in Nexis Zuflucht zu suchen.
Nicht daß Nexis wirklich sicherer gewesen wäre. Die Phaerie schlugen zu, wann immer es ihnen gefiel, und ergriffen jeden, den sie haben wollten. Jetzt wurden oft auch junge Mädchen entführt und manchmal sogar Kinder. Frauen wurden aus Heim und Familie weggerissen, um ein ungewisses Schicksal zu erleiden. Wollspinner und Weber verschwanden genauso wie Näherinnen und Spitzenklöpplerinnen – ganz zu schweigen von Bäckern, Brauern und den Mitgliedern des ältesten Gewerbes überhaupt. Die Garnison schien hilflos zu sein – nach so vielen Fehlschlägen bei dem Versuch, die Dinge unter Kontrolle zu bekommen, hatte der Kommandant aufgegeben und verbrachte den Rest seines Lebens damit, sich in ein frühes Grab zu trinken. Obwohl Nexis im großen und ganzen unter Vannors Herrschaft gediehen war, konnte es keinen wahren Frieden oder Wohlstand geben, solange das Problem der Phaerie nicht ein für allemal gelöst war.
Bern hatte Angst, soviel stand fest, dachte Eliseth. Er war den Phaerie einmal entronnen, an jenem Tag vor langer Zeit im Tal. Damals hatte er sich in den See gestürzt und sich in den überhängenden Büschen am Wasserrand versteckt, bis diese furchterregenden, fremdartigen Geschöpfe verschwunden waren. Erst dann war er aus seinem Versteck gekrochen und hatte eins der frei herumlaufenden Söldnerpferde eingefangen, um nach Hause zu reiten. Den grauenvollen Überfall der Phaerie, die Eliseths Streitmacht aus gedungenen Söldnern bis auf den letzten Mann abgeschlachtet hatten, konnte er jedoch nie vergessen. Er hatte die Bäckerei so gut es ging befestigt, lebte aber immer noch in der Furcht, daß eines Nachts auch er ergriffen werden könnte – und was, wenn die Phaerie seine Familie holten?
Eliseth war es vollkommen gleichgültig, ob sie das taten oder nicht – abgesehen davon, daß Bern sich ihr in Zukunft noch als nützlich erweisen konnte. Was die Magusch weit mehr interessierte, war die Frage, welche Bedrohung die Phaerie für ihre eigenen Pläne darstellten. Sie beabsichtigte, in Nexis die Zügel der Macht selbst in die Hand zu nehmen, und das konnte schwierig werden, wenn die verwünschten Phaerie immer noch durch die Stadt wüteten. Auf der anderen Seite waren ihr, wenn sie die Phaerie vertreiben konnte, die Bewunderung und der Respekt der Bevölkerung gewiß. Dann brauchte sie keinen Finger mehr zu krümmen, um Vannor aus dem Amt zu drängen – die törichten Nexianer würden sie anflehen, die Herrschaft zu übernehmen. Eliseth schenkte Berns schier endloser Klage kaum weiter Aufmerksamkeit, sondern dachte konzentriert über ihre eigenen Pläne nach, während sie sich die Apfelpastete heranzog und zu essen begann.
Als der erste scharfe Schmerz durch ihre Eingeweide schoß, riß Eliseth die Augen auf. Dann fiel sie von ihrem Stuhl, umklammerte mit beiden Armen ihren Leib und konnte schon das Gift spüren, das wie eine grausame, schwarze Flut in ihr Blut einsickerte. Sie griff sich an den Hals, ihre Beine zuckten hilflos auf dem Teppich, und sie würgte an einem widerlichen Gemisch aus Galle und Blut.
Es blieben ihr nur Sekunden, um sich zu retten. Eliseth kämpfte ihre Panik nieder, spannte all ihre Kräfte an, um den Schmerz zu ignorieren, und richtete ihren Willen nach innen, um ihr rasendes Herz zu einem langsameren Schlag zu zwingen. Wie mit unsichtbaren Fingern griff sie in ihre Venen, um das tödliche Gift in seine harmlosen Bestandteile zu zerlegen, die ihren Körper auf normalem Wege verlassen konnten.
Nach und nach ebbten die Qual und die Angst ab. Zu ihrer maßlosen Erleichterung spürte die Magusch, wie ihre Körperfunktionen wieder zur Normalität zurückfanden. Die abklingenden Wellen des Schmerzes spülten sie zurück an die Ufer des Bewußtseins. Eliseth öffnete schwach und von Übelkeit und Schwindel geplagt die Augen; ihr ganzer Körper schmerzte dumpf, als hätte man sie von innen wie von außen geprügelt.
Und wo
Weitere Kostenlose Bücher