Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Gewirr blutdurchtränkter Decken hob.
Bern beugte sich über den verstümmelten kleinen Körper und weinte. »Ihr Götter, wie konnte das geschehen?« schluchzte er gequält. »Wie konntet ihr das zulassen?«
Eliseth zuckte die Achseln und drängte sich abermals in die Gedanken des Bäckers. Sie zwang ihn, die Leichen seiner Familie zurückzulassen, und schickte ihn nach unten, wo er das Pferd anschirren und ihre zusammengeraubte Beute auf den Karren verladen mußte. Dann ließ sie ihn mit einer Flasche Lampenöl und einem langen Stock, der ihm als Fackel dienen würde, wieder ins Haus gehen. Aus vielerlei Gründen würde es das beste sein, die Beweise zu vernichten.
Da sein Wille unter der eisernen Herrschaft der Magusch stand, steuerte Bern sein Pferd mit dem Karren geradewegs hügelaufwärts zur Akademie, um Eliseth willig die Dinge auszuliefern, die einst zu seinem hartverdienten Besitz gezählt hatten. Hinter ihm schossen die Flammen der brennenden Bäckerei in die Nacht hinauf und sandten, verlorenen, suchenden Seelen gleich, einen Funkenreigen gen Himmel.
Eliseth machte es sich, so gut sie es auf dem harten Holzstuhl vermochte, bequem und sah zu, wie die Flammen an den rußigen Steinen der Feuerstelle züngelten, während sich draußen vor dem Fenster in den Gemächern des Erzmagusch das Zwielicht vertiefte. Sie hatte schon vor langem geargwöhnt, daß Miathan seine Räume mit einer Art selbstaktivierendem Zauber belegt haben mußte, denn obwohl die Spuren seiner Magie in seiner Abwesenheit nach und nach verblichen waren, befand sich sein hoch über den feuchten unteren Stockwerken des Turms gelegenes Quartier in einem weit bewohnbareren Zustand als alle anderen Räume – und das war nur gut so, denn die Magusch war vollkommen erschöpft. Tagsüber hatte sie sich mit aller Kraft darauf konzentriert, die Gedanken ihrer Marionette zu beherrschen, während Bern die Räume ausgefegt und geputzt und alles, was schmutzig oder verwest war, fortgeworfen hatte. Eliseth reckte sich seufzend. Bei den Göttern – es war fast so anstrengend gewesen, als hätte sie die Arbeit selbst getan!
Die Magusch schenkte sich noch ein Glas Wein ein und ließ wählerisch eine Hand über einem Tablett mit Brot und Käse kreisen. Die Wohltat, jetzt diese Zuflucht zu besitzen, war all ihre Anstrengungen wert gewesen. Die Sterblichen würden es nicht wagen, der Akademie auch nur in die Nähe zu kommen – sie fürchteten diesen Ort, und Eliseth würde dafür sorgen, daß das auch so blieb. Zum ersten Mal, seit sie in diese seltsame Zukunft gelangt war, entspannte die Magusch sich ein wenig. Sie war hier in Sicherheit, und jetzt würde sie auch ein gewisses Maß an Behaglichkeit genießen, während sie darüber nachdachte, wie sie Nexis am besten unter ihre Herrschaft bringen konnte.
Ihre Macht über Bern war ein hervorragender Anfang und ein gutes Zeichen für die Zukunft. Eliseth konnte jederzeit in seine Gedanken eindringen, ohne daß er ihre Gegenwart bemerkte. Sie konnte durch seine Augen sehen und seine Taten aus sicherem Abstand manipulieren. Und sie hatte herausgefunden, daß der Bäcker sich später nicht mehr daran erinnerte, daß seine Gedanken von einem anderen geleitet worden waren. Ein böses, triumphierendes Lächeln breitete sich auf Eliseths Gesicht aus. Was für eine Waffe dieser Kelch doch war! Miathan war ein Narr gewesen, daß er die Möglichkeiten des Grals nicht erkannt hatte – aber sie würde dafür dankbar sein. Der Kelch war die Lösung all ihrer Probleme: Sie konnte sich mit seiner Hilfe nicht nur an Vannor und seiner verwünschten Tochter rächen, sondern würde auch Nexis und diese törichten Sterblichen in ihre Gewalt bringen, ohne daß diese es überhaupt bemerkten!
Dieser Gedanke führte zu einem weiteren, und die Magusch spürte, wie sich eine angenehme Erregung in ihr rührte. Irgendwann würde Aurian zurückkehren – soviel stand fest. Was, wenn Eliseth Anvar auf dieselbe Weise besitzen konnte wie Bern? Dann konnte sie ihre Feindin ausspionieren und aus weiter Ferne ihre Pläne beeinflussen. Was, wenn sie Aurian ohne jeden Kampf, sei es einen körperlichen oder einen magischen, töten konnte – ja, sogar ohne sich selbst dabei auch nur im geringsten zu gefährden? Und wäre es nicht einfach wunderbar, Eilins Tochter, bevor sie sie endgültig vernichtete, mit einem solchen Verrat zu schlagen? Einem Verrat, der für diese in die Sterblichen vernarrte Hexe schlimmer sein mußte als alles
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