Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Sturz das Gleichgewicht wiederfinden konnte, glitt er auf dem schlüpfrigen Boden der Länge nach aus und bedeckte sich von Kopf bis Fuß mit schleimigem Matsch. Er rieb sich das ekelhafte Zeug aus den Augen und drehte sich um. Hinter ihm versperrte die massige Silhouette des Hundes des Ausgang. Er war am Ende. Grince straffte sich und schloß die Augen; er wimmerte vor Angst und wartete darauf, die scharfen Zähne des Hundes zu spüren, die sein Fleisch wegrissen …
Nichts geschah. Mit einem seltsam traumartigen Gefühl absoluter Ungläubigkeit wurde ihm klar, daß die Männer die Hunde zurückgerufen hatten. Grince öffnete gerade noch rechtzeitig die Augen, um zu sehen, wie die gewaltige Bestie sich aus dem Tunnel zurückzog und widerstrebend davonschlich. Was im Namen aller Götter geht da vor, fragte sich der Dieb. Die verfluchten Kerle hätten mich um ein Haar gehabt – warum geben sie jetzt auf? Dann hörte er ein paar Brocken eines Gesprächs mit. Zwei Männer gingen über ihm am Ufer entlang: »… und schickt ein paar Männer runter, damit sie das Loch im Auge behalten – für den Fall, daß er doch wieder auftaucht.«
»Lord Pendral wird nicht gerade begeistert sein, daß wir ihn verloren haben – ganz zu schweigen von den Juwelen.«
»Ich bin nicht sein Handlanger! Ich bin Soldat, kein Diener, verdammt noch mal. Wenn Lord Pendral seine verfluchten Juwelen wiederhaben will, soll er einen Lakaien ausschicken – oder selber da runtersteigen und sie sich holen. Vielleicht würden die Geister ihm ja nichts antun – wo er doch früher ein dicker Freund der Magusch war. Zumindest habe ich so etwas läuten hören. Der Dieb ist erledigt, also habe ich meine Arbeit hier getan.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
Grince hörte den ersten Mann seufzen. »Sieh mal, du Idiot. Er wird da unten entweder verhungern oder rauskommen und die Konsequenzen tragen – ich lasse ein paar Männer am Ausgang zurück. Oder er kann diesem Kanal bis zu seinem Ende folgen, das heißt direkt bis zur Akademie und ihren Geistern. Die werden dem kleinen Mistkerl nach all den Schwierigkeiten, die er uns gemacht hat, genau das Willkommen bereiten, das er verdient …«
Die Stimmen verloren sich und waren schließlich nicht mehr zu hören. Der Dieb vermochte sein Glück nicht zu fassen. Die Geister waren ihm egal – er glaubte ohnehin nicht an so etwas und hatte weit größere Angst vor Pendrals Zorn als vor den sogenannten Schatten der Magusch. Wenn der Herr von Nexis jemanden aussandte, um seinen gestohlenen Besitz zu holen, würde er Grince und die Juwelen nicht mehr finden. Er war ihnen zu guter Letzt doch noch entkommen! Die Erleichterung raubte ihm fast die Sinne. Wäre der schlüpfrige Boden nicht gewesen, hätte Grince tanzen mögen. Wie die Dinge lagen, konnte er nur still vergnügt vor sich hin grinsen. Ich kann durch die Abwasserkanäle nach Hause gehen, und sie werden mich niemals kriegen, dachte er. Dies mag sich doch noch als der beste Raubzug erweisen, der mir je geglückt ist.
Kichernd schulterte Grince seinen Sack und machte sich auf den Weg in den Tunnel hinein. Über ihm, auf dem Gipfel des Hügels, wartete die Akademie.
Shia, Khanu und die Magusch mühten sich die Serpentinen hinauf, die zu den oberen Toren der Akademie führten. Obwohl Aurian ihr langsames und bedächtiges Tempo erzürnte, wußte sie doch genau, daß es nicht schneller ging. Der Aufstieg, der in früheren Zeiten durch das sanfte Gefälle der Bergstraße so sehr erleichtert worden war, war jetzt höchst unangenehm – vor allem im Dunkeln. Die Oberfläche der Straße war voller Schlaglöcher und Risse. Zumindest die Magusch mußte auf Schritt und Tritt fürchten, sich einen Knöchel zu brechen oder der Länge nach hinzuschlagen.
Aurian wußte nicht, was sie eigentlich in der zu einer Ruine verfallenen Akademie zu finden hoffte. Andererseits mußten Eliseth und Miathan doch irgendwelche Hinweise auf ihren Verbleib hinterlassen haben? Ich kann es nur hoffen, dachte die Magusch. Im Augenblick weiß ich nicht, wie es weitergehen soll – ich weiß nicht, was ich als nächstes tun oder wohin ich mich wenden soll. Trostsuchend berührte sie das Flammenschwert an ihrem Gürtel; das warme Leuchten der Macht, das unter ihren Fingern pulsierte, beruhigte sie ein wenig. Die Harfe der Winde hatte sie sich, wie Anvar es immer zu tun pflegte, über den Rücken gehängt, und das Instrument protestierte mit einem unglücklichen Summen gegen
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