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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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heran und verschlang das Boot ebenso unversehens. Dem Fremden liefen Tränen über die Wangen. Er drehte sich um und wies auf eine kleine Hütte am Fuß eines Hügels.
    Im Haus warteten bereits zwei weitere Männer, zwei Jäger, die ebenfalls dem Glockensignal gefolgt waren. Zu viert verfolgtensie nun die grauenhaften, konfusen Fernsehberichte über mehrere Schurkenstaaten, die den Rest der Welt mit nuklearen und biologischen Waffen überfielen. Dann war plötzlich einer der Sender nicht mehr zu empfangen, kurz darauf der nächste. Am Ende blieb nur noch eine kanadische Station übrig, von der anderen Seite des mächtigen Sees. Diese letzten Nachrichten dauerten noch einige Stunden. Dann blitzte es erneut am Horizont, und auch von dort herrschte Schweigen. Es gab kein Fernsehen mehr und auch kein Radio, aber sie hatten genug gehört, um zu wissen, dass die Überlebenden der Erstschläge vermutlich an der Strahlung oder den biologischen Kampfstoffen sterben würden.
    Ihr Gastgeber, ein pensionierter Professor der Astrophysik, brachte sie in seinen Weinkeller, der durch sechzig Meter Fels geschützt wurde. Er erklärte, sein Vater habe die Höhle mit einer ausgeklügelten Luftfilteranlage ausgestattet. Hektisch schleppten sie Proviant, Bettzeug und alle auffindbaren Kerzen und Öllampen in den Unterschlupf. Ihr Gastgeber wusste nicht, wie lange sie in ihrem Versteck ausharren mussten, ging aufgrund seines Fachwissens aber davon aus, dass sechzig Tage genügen würden, bis die Luft draußen wieder sauber genug wäre. Er zog einen alten Wecker auf und stellte ihn so ein, dass er alle zwölf Stunden klingelte. Nach jedem zweiten Klingeln ritzte Hadrian eine Kerbe in die Wand.
    Die ersten paar Tage erzählten sie von ihren Familien, redeten sich ein, sie würden sie wiedersehen, und äußerten sogar die Hoffnung, die Straßen mögen nicht zu verstopft sein, wenn sie endlich nach Hause fahren könnten. Nach der ersten Woche setzte Jonah sich an den Tisch und führte stundenlange Berechnungen durch. Er fing an, sich distanzierter und technischer auszudrücken und sprach über die Reichweite von Sprengköpfen, die Halbwertszeit der Strahlung und die Zerfallsrate biologischer Kampfstoffe. Er hatte inder militärischen Forschung gearbeitet und für die Regierung Modelle entwickelt, die belegten, wie die hochgradig riskanten Biowaffen im Arsenal mancher Nationen nach ihrer großflächigen Freisetzung den ganzen Planeten vergiften und nicht nur fast die gesamte Menschheit, sondern auch alle anderen höheren Lebensformen auslöschen würden.
    Während der langen stillen Stunden entwickelte Jonah anhand der Wetterdaten aus den Zeitungen der letzten Tage ein neues Modell. Es zeigte, dass ihr gegenwärtiger Standort – einer der entlegensten im östlichen Teil des Kontinents und zudem geschützt durch die hohen Bergketten – dank günstiger Windverhältnisse von der schlimmsten Kontamination verschont geblieben war.
    Seine drei Gäste – Jonah selbst hingegen so gut wie nie – versanken in tiefe, stumme Depressionen, die tagelang andauerten. Nachts, wenn die letzte Kerze gelöscht und es stockfinster war, weinten sie.
     
    Hadrian blieb mehrere Stunden in der Höhle, las viele der Seiten, nahm sich aber auch die Regale vor. Sie enthielten nicht nur seltene Bücher – und zwar alles Mögliche, von gewöhnlichen Kochbüchern über populäre Bestseller bis hin zu Wörterbüchern für fremde Sprachen –, sondern außerdem Glasröhrchen und -kolben mit den Überresten von Experimenten, stapelweise alte Zeitschriften und sogar, in einem alten Schuhkarton, einen Taschenrechner und ein halbes Dutzend korrodierter Batterien. Hadrian war in Carthage der engste Freund des alten Mannes gewesen, und doch hatte Jonah Beck zahlreiche Geheimnisse vor ihm gehabt. Viele der Dinge hier im Gewölbe waren illegal. Doch das erklärte nicht, weshalb Jonahs Tagebuch so geheim war oder wieso Lucas Buchanan es unbedingt in die Finger bekommen wollte.
    Schließlich kehrte er zu dem Hocker zurück und musterteabermals das kleine Brett.
Und zürnen, dass das Licht wird schwach.
Das war nicht bloß eine Mahnung. Es war ein Manifest. Jonah hatte sich dem Ende seines tragischen Lebens genähert. Doch von einer bestimmten Tragödie hatte er stets geglaubt, sie zum Guten wenden zu können. Noch am Tag seines Todes hatte er mit Hadrian gesprochen, als stünde er kurz davor, dieses Ziel zu erreichen. Und mit neuerlichem Schmerz wurde Hadrian nun etwas klar. Jonah

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