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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Jonah hatten die Wand vor vielen Jahren errichtet, um den Eingang zu tarnen. Frei geblieben war nur ein schmaler Spalt, durch den ein Mann sich seitlich hindurchschieben konnte. Hadrianhob die Laterne und beleuchtete die kleine, aber schwere Tür aus dicken Bohlen und mit eisernem Schloss. Jonah hatte sie gemeinsam mit seinem Vater, dem Eigentümer eines Ingenieurbüros, vor fünfzig Jahren hier eingebaut, weil dieser aus der kleinen Höhle einen Weinkeller hatte machen wollen. Nachdem der Wein im Zuge des ersten Erntedankfests von Carthage ausgetrunken worden war, hatte Jonah beschlossen, die Kammer für etwas anderes zu nutzen. An die Tür war ein brüchiges, verstaubtes Stück Papier geheftet, auf dem ein sorgfältig gezeichneter Totenschädel und zwei gekreuzte Knochen zu sehen waren. Darüber stand ein handgeschriebenes Warnschild: GEFÄHRLICHE ERREGER – AKUTE A NSTECKUNGSGEFAHR .
    Nur die älteren Einwohner der Kolonie würden sich noch an die große Debatte erinnern können, was mit den armen Teufeln geschehen sollte, die die aufstrebende Siedlung mit letzter Kraft erreicht hatten und dann doch noch an ihrer Typhusinfektion gestorben waren. Jonah, der sich sicher gewesen war, gegen die Krankheit immun zu sein, hatte darauf bestanden, die fest eingewickelten Toten eigenhändig hier in der kleinen Gruft zu bestatten. Und so hatte er sie nachts mit einem Handkarren weggeschafft.
    Nervös hielt Hadrian die Laterne dicht an die Tür. Das Holz war vom Staub der Jahre überzogen, aber das Schloss war sauber. Er biss die Zähne zusammen, steckte den Schlüssel hinein und drehte ihn. Die Tür schwang knarrend auf. Zögernd beugte er sich vor, verschaffte sich mit erhobener Laterne einen kurzen Überblick, trat dann ein und schloss die Tür hinter sich.
    Wissen ist ein Infekt, den alle Tyrannen fürchten
. Zumindest einer der Scherze des alten Mannes hatte ihn überdauert. Das hier war keine Gruft, sondern vielmehr eine geheime Krypta des Wissens, die durch den Mythos des ansteckendenErregers geschützt wurde. Während Hadrian die Kerzen im Raum entzündete, erinnerte er sich daran, dass er Jonah eines Nachts am Ufer gesehen hatte, als dieser mit einem Boot anlegte. Damals hätte niemand daran gedacht, ihn wegen der Toten zu befragen, aber nun begriff Hadrian, dass sie eine Seebestattung bekommen hatten.
    Über einem aus Brettern und Kisten gefertigten Tisch sowie entlang der angrenzenden Wand reihten sich Regale voller Bücher, von denen viele von der Regierung verboten worden waren. Auf dem Tisch lagen neben einem Vergrößerungsglas weitere Bände – über Medizin, Pharmakologie und Chemie. Jonah musste sie während der ersten Jahre gesammelt und dann später versteckt haben, als im Zuge der Zensurkampagnen Tausende von Büchern der Wiederverwertung zugeführt wurden. Hadrian wurde erneut von seinen Gefühlen übermannt. Er setzte sich auf den Hocker am Tisch und sah plötzlich ein Brett vor sich an der Wand hängen, auf dem in Jonahs akkurater Handschrift etwas geschrieben stand: GEH NICHT SO FÜGSAM IN DIE GUTE NACHT. ALTER SOLL LODERN, WENN DER TAG VERGEHT. UND ZÜRNEN, DASS DAS LICHT WIRD SCHWACH . Das Brett hing nicht umsonst auf Augenhöhe. Jonah hatte diese Worte aus der Feder von Dylan Thomas jedes Mal sehen wollen, wenn er sich hier niederließ.
    Hadrian holte seine eigene karge Wortsammlung unter dem Hemd hervor und breitete die kostbaren Buchseiten vor sich aus. Dann zog er das Schwert-Messer aus dem Gürtel. Als er es an der Seite hinlegte, fiel ihm neben dem Tisch ein kleiner Buchständer auf, der mit einem alten Leinentuch abgedeckt war. Mit angehaltenem Atem hob er das Stück Stoff an.
    Sein Herz vollführte einen Sprung. Er nahm den Folianten von dem Ständer. Jonah hatte den dicken Ledereinband seines geheimen Tagebuches mit Prägungen von Eichen- undAhornblättern verziert. Der Titel, der in eleganter Schönschrift auf der ersten Seite stand, lautete schlicht
Chronik der Neuen Welt
. Das Buch war etwa siebeneinhalb Zentimeter dick und mit am Rücken verknoteten Lederriemen gebunden. Um eine Seite hinzuzufügen, brauchte man lediglich die Knoten zu lösen und den hinteren Einband abzunehmen. Hadrian schlug die letzte Seite auf. Genau wie alle anderen war auch sie in der unteren Ecke der Rückseite mit einem Bleistiftdatum versehen. Sie stammte aus der Vorwoche. Er las den ersten Absatz und lächelte. Der Text drehte sich nicht um Staatsgeheimnisse, sondern um die Sehnsüchte des

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