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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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sitzen.«
    Waller starrte in ihren Becher Zichorienkaffee. Dann blickte sie auf und schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe in einer der Klassen gesessen und mitbekommen, wie Sie von den anderen Ratsmitgliedern rausgeworfen wurden. Ich konnte Sie auf dem Gang hören, als Sie argumentiert haben, gefleht, beinahe geschluchzt. Es war peinlich. Sie sollten doch eigentlich dieser große, weise Gründer sein, und dann stellten Sie sich als verbitterter Taugenichts heraus, der seine Emotionen nicht in den Griff bekam. Manchmal konnten wir Sie am Fenster sehen, wie Sie uns beim Spielen zugeschaut und geweint haben. Beim Seilspringen haben wir gesungen:
Boone, Boone, Boone, das dumme Huhn, Huhn, Huhn
. Sie wollen, dass ich nicht mehr so tue, als ob? Gut. Buchanan will Sie ein für alle Mal loswerden. Das sind die Beweise, die ich sammele. Die Akte soll den Rat überzeugen, Sie dauerhaft zu verbannen. Ich wollte Sie noch wegen
psychotisch
fragen. Schreibt man das mit
ü
oder
y

    »Hören Sie gut zu. Kein Einziger der Überlebenden der alten Welt ist nicht auf die eine oder andere Weise seelisch beschädigt. Sie sollten sich lieber Sorgen über diejenigen machen, denen man es nicht anmerkt.«
    »Er hat mir für meinen Bericht einen dicken Stapel frisches Papier zur Verfügung gestellt.«
    »Kenton, Buchanan und ich haben eine Leiche aus der Senkgrube gezogen. Es war der Scout Hastings; man hat ihn erstochen, schon vor Monaten. Am Abend des Fundes wurde Jonah gefoltert und erhängt. Die Morde hängen irgendwie zusammen.«
    »Sie lügen, um sich zu retten.«
    »Sie werden ein Teil der Lüge, Sergeant. Was bedeutet, dass Sie helfen, Mörder zu schützen. Tun Sie sich einen Gefallen. Versuchen Sie herauszufinden, wo Kenton während des Brandes gewesen ist. Alle anderen haben versucht, die Bibliothek zu retten. Er hat unterdessen Hastings’ Leiche im See versenkt. Am nächsten Tag wurde er befördert.«
    »Das dumme Huhn, Huhn, Huhn«
, sang Waller leise vor sich hin, während sie aufstand, ein paar Münzen auf den Tisch warf und hinausging.
     
    Hadrian hatte die seit langem geschlossene Sägegrube nicht bewusst angesteuert. Er hatte in der kalten Morgenluft nur unbedingt einen freien Kopf bekommen wollen. Dann wurde ihm auf einmal klar, dass er sich schon jenseits der Felder am Stadtrand befand. Er blieb stehen und erkannte den zugewucherten Pfad, der neben ihm abzweigte. In der Anfangszeit der Kolonie hatte in dem kleinen schmalen Tal stets emsige Betriebsamkeit geherrscht, denn die niedrigen Felsvorsprünge boten sich förmlich dafür an, einen Baumstamm in die richtige Position rutschen zu lassen und ihn dann mit einer langen Zweimannsäge zu zerteilen. Hadrian und Jonah hatten viele Stunden dort zugebracht und die Bretter der ersten Gebäude zurechtgesägt. Für die Pausen gab es in der Nähe der Grube ein kleines Blockhaus. Das damals waren lange und glückliche Tage gewesen, geprägt durch die besondereVerbundenheit, die entsteht, wenn man gemeinsam schwere körperliche Arbeit leistet.
    Nun folgte er dem Pfad einige Minuten lang und erblickte dann wehmütig die verblichenen Kreidestriche auf der langen Schieferwand an einer Seite des Cañons. Die Kinder hatten sich einst die Zeit damit vertrieben, die Arbeiter und andere Szenen des täglichen Lebens auf den Fels zu zeichnen. Jonah habe ihnen die Bilder erklären wollen, hatte Dax gesagt. Hadrian hatte sich gewundert, dass Jonah die Kinder ausgerechnet hier treffen wollte. Er hatte es falsch verstanden. Er war davon ausgegangen, Jonah habe ihnen die Illustrationen in
Die Schatzinsel
erklären wollen. Doch nun wusste er, dass Jonah die Kreidezeichnungen gemeint hatte, die vergessenen Piktogramme vom Anfang der Kolonie.
    Er ging die Wand entlang und wurde von einer Flut von Erinnerungen übermannt. Die Zeichnungen befanden sich im Schutz eines breiten Felsüberhangs und waren überraschend gut erhalten geblieben. Die erste primitive Skizze zeigte ein Pferdegespann, das einen Baumstamm zu einigen Strichmännchen zog, die mit einem gezackten Gegenstand warteten, offenbar einer Säge. Dann folgte eine Gruppe von Frauen, die ein Netz voller Fische hochhielten. Hadrian wusste noch, wie glücklich sie alle gewesen waren, als das erste Netz, geknüpft aus aufgeribbelten Pullovern, ihnen zu Dutzenden von Fischen und damit zu der üppigsten Mahlzeit seit Monaten verholfen hatte. Andere Zeichnungen zeigten das aus den ersten Brettern errichtete Haus, vor dem eine stolze Familie sich

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