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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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warteten auf ein gefälschtes Steuersiegel. Hadrian schaute aus dem Küchenfenster. Die Wohnung lag am Waldrand, knapp einen Kilometer von der Lichtung auf dem Hügelkamm entfernt, auf der Hadrian angegriffen worden war. Jemand, der sich hier in der Gegend auskannte, könnte die Schmuggelware problemlos vor Tagesanbruch zu der Wohnung bringen.
    Er fing an, sich genauer umzusehen, und hielt dabei mehr als einmal inne, wenn ein Gegenstand irgendeine ferne, verschwommeneErinnerung auslöste. Eine metallene Brotdose mit einem großen braunen Zeichentrickhund. Buntstifte, noch immer in ihrer goldenen Schachtel. Eine kleine Bronzeausgabe der Freiheitsstatue. Es gab verschrammte Koffer voller Partykleider für Mädchen und drei platte Fußbälle, die noch der Entdeckung der Luftpumpe harrten, mit der man sie wieder nutzen könnte.
    In der Küche öffnete Hadrian jede Schublade und jeden Schrank, auch den Kühlschrank. Darin standen zwei Holzkästen mit Schiebedeckeln. Er nahm sie heraus und stellte sie auf den Tisch. Der erste Behälter war voller Zimt, zweifellos gestreckt mit dem Pulver, das die Schmuggler gemeinhin dafür verwendeten. Der zweite Kasten enthielt Dosen voller Gewürze, die von außen rostig und angelaufen sein mochten, aber ihr Inhalt duftete noch. Majoran. Muskatnuss. Nelken. Kardamom. Weißer Pfeffer. Allesamt exotisch und wahrscheinlich mehr wert als die restlichen Bergungsgüter hier zusammen.
    Hadrian rückte die Möbelstücke von den Wänden ab, stieß aber lediglich auf einige unanständige Zeichnungen, die jemand in den Putz geritzt hatte. Die Kommoden in den beiden Schlafzimmern enthielten nichts außer Männerkleidung. Doch auf einer von ihnen lag ein handgeschnitzter Fisch an einer Schnur. Auf seinem Bauch stand das Wort
Zeus
geschrieben. An einem Bettpfosten in dem anderen Raum hing ein Lederriemen mit einem geschnitzten Reh. Hadrian starrte es an und nahm sich dann noch mal die Kleidung in der nahen Kommode vor. Auf den Säumen zweier Hemden stand der verblichene Name Hastings geschrieben. Der tote Scout und der Fischer im Krankenhaus hatten zusammengewohnt.
    Auf einmal knarrten die Bodenbretter am Eingang. Hadrian zog den Hammer aus dem Gürtel, drückte sich an dieWand und schob sich langsam zur Zimmertür vor, um einen Blick auf den Eindringling zu werfen.
    Die Gestalt dort verharrte nahezu reglos, hob das zertrümmerte Vorhängeschloss auf, trat dann ein und schloss die Tür.
    »Ich konnte nicht zulassen, dass Sie uns alle für so inkompetent halten wie Jansen und seinen Tölpel«, meldete sich eine vorsichtige Stimme.
    Hadrian ließ den Hammer sinken und gab sich zu erkennen. »Jansen hat nur seine patriotische Pflicht getan, Sergeant«, stellte er fest. »Es dürfte sich um seine größte Verhaftung seit Monaten handeln.«
    Jori Waller nickte langsam. Sie schien seit ihrem letzten Treffen gealtert zu sein.
    »Jamie Reese ist tot«, sagte sie unvermittelt. »Ich bin hingegangen, um zu sehen, ob er bei Bewusstsein ist. Die Schwestern waren gerade dabei, ihn in ein Laken zu wickeln. Sein Arzt, Dr. Salens, hatte als Ursache bereits einen Arbeitsunfall vermerkt. Doch ich sagte, ich müsse den Leichnam untersuchen, und zwar allein. Ich habe mir seine Augen angesehen. Sie waren nicht mehr weiß, sondern rosa, voller geplatzter Kapillargefäße. Und ich habe in seinen Mund geschaut.«
    »Seinen Mund?«
    Sie griff in die Tasche, brachte ein gefaltetes Stück Stoff zum Vorschein und zog daraus eine winzige Feder hervor. »Die war unter seiner Zunge. In seinem Nasenloch habe ich noch eine gefunden. Die Kissen im Krankenhaus sind mit Gänsedaunen gefüllt.«
    Eine ganze Weile sprach keiner von ihnen ein Wort. Hadrian wurde sich bewusst, dass er immer noch den Hammer hielt, und legte ihn auf eine Kiste. Jamie Reese war mit dem eigenen Kissen erstickt worden. »Sie sollten das melden«, sagte er.
    Waller senkte den Blick zu Boden. »Ich habe den Arzt um Papier gebeten und dann eine Stunde lang am Bett gesessen, um alles aufzuschreiben, einschließlich der Verbindung zu meinem Schmuggelfall. Dann bin ich zu Kenton gegangen, um den Bericht einzureichen. Er hat bloß gelacht und die Seiten zerrissen.«
    Ihr fiel die Unordnung in dem Schlafzimmer hinter ihm auf. Sie ging an Hadrian vorbei und zog die Kommode weiter von der Wand weg. Darunter stand ein Karton versteckt. Er war voller billiger Metalllöffel.
    Hadrian sah ihr dabei zu und erkannte, dass Jori Waller ihm mehr Rätsel aufgab als jemals zuvor.

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