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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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flüsterte Hadrian und griff unter sein Hemd. »Ich habe euch Äpfel mitgebracht. Und Brot.«
    Die Lider der Frau öffneten sich zitternd. Als sie Hadrian erkannte, rang sie sich ein Lächeln ab. »Du verdammter Narr«, sagte sie. »Du weißt doch, dass ich sogar an einem guten Tag kaum kauen kann.« Die Strahlung, vor der Nelly geflohen war, hatte ihr nicht nur die Haare, sondern auch fast alle Zähne geraubt.
    Er hielt ihr einen Becher Wasser an die Lippen. Sie trank durstig einige Schlucke und wurde ohnmächtig.
    »Sie kennt Sie?«, fragte die Polizistin verblüfft.
    Hadrian blickte auf und sah die Abscheu in Wallers Miene. »Sie ist einige Monate nach der Gründung von Carthage hier eingetroffen. Dann haben wir knapp drei Jahre lang gemeinsam die Kolonie aufgebaut, bis der Rat entschied, sie zu verbannen.«
    »Hier haben Briketts gelebt?«
    Falls es in der Nähe einen Spiegel gegeben hätte, hätte Hadrian der Frau geraten, mal selbst einen Blick hineinzuwerfen. Sie schien ihre eigene entstellte Haut vergessen zu haben. »Viele von ihnen haben im Krankenhaus gearbeitet. Nelly auch, sie war Pflegerin auf der Entbindungsstation. Vermutlich hat sie damals auch Ihnen auf die Welt geholfen. Und sie konnte singen wie sonst niemand. Die Leute sagten, was der Krieg ihr vom Rest des Körpers genommen habe, habe er ihrer Stimme hinzugefügt. Wenn Nelly sang, hörte jedes Baby auf zu weinen. Sie war unser Engel.«
    Wallers peinlich berührtes Lachen ließ Hadrian vor Zorn erröten. »Oder das, was einem Engel in unserer Welt noch am nächsten kommt. Und jetzt brechen Sie etwas Brot in kleineStücke, die sie dann im Wasser aufweichen kann, sobald sie wieder zu sich kommt.« Die Beamtin verstummte und tat, wie ihr geheißen.
    Hadrian wandte sich dem anderen Häftling zu, einem gedrungenen, muskulösen Mann mit grobknochigem, vernarbtem Gesicht. Er trug eine rote Wollmütze über lockigem schwarzem Haar. Hadrian wusste, dass es so lang war, um die kahlen Stellen zu kaschieren. Ihm fiel der Name zwar nicht mehr ein, aber er erinnerte sich noch, dass dieser Mann während des Weltenwandels ein kleiner Junge gewesen war, dessen Eltern den ersten Winter nach ihrer Verbannung nicht überlebt hatten. Er war Hadrian schon zuvor in den Camps aufgefallen, einer der wenigen Männer, die kräftig genug waren, im Wald Holz zu hacken und ins Lager zu tragen. Nun starrte er den Neuankömmlingen hasserfüllt entgegen.
    »Ich heiße Hadrian.«
    »Hadrian Boone«, knurrte der Mann mit finsterer Miene. »Einer der Gründer-Diktatoren.« Hadrian sah ihn nur erwartungsvoll an.
    »Shenker«, gab der Gefangene widerwillig seinen Namen preis.
    »Sie haben dem Gouverneur bei der Beerdigung die Schau gestohlen. Eine miserable Idee.«
    »Nachdem Nelly verkündet hatte, sie werde für Jonah singen, konnte niemand sie mehr aufhalten.«
    »Und Sie sind spaßeshalber mitgekommen?«
    Shenker schüttelte langsam den Kopf. »Ich wollte sie beschützen.«
    Hadrian hatte Leute wie ihn in den Camps kennengelernt. Sie gehörten der neuen Generation an, waren eisenhart und voller Selbsthass, besaßen jedoch die eine oder andere Schwäche, die ihr Leben definierte. »Der Gouverneur will euch aufknüpfen.«
    »Das haben wir uns schon gedacht«, sagte Shenker und wandte den Kopf, damit Hadrian die dunkle Prellung auf seiner linken Gesichtshälfte sehen konnte. Auf einem Tuch neben ihm lag ein blutiger Backenzahn. Nach einem Blick zu Waller zog er die Beine an, als wolle er sich vor einem weiteren Angriff schützen.
    »Die Polizei wird behaupten, ihr beide wärt am Abend von Jonahs Ermordung in der Stadt gewesen. Sie wird Zeugen beibringen, die euch angeblich an der Bibliothek gesehen haben. Helft mir, damit ich das Gegenteil beweisen kann.«
    Hadrian begriff nicht, weshalb Shenker auf einmal so höhnisch grinste.
    »Aber wir waren tatsächlich da«, sagte der Ausgestoßene.
    »Wo?«
    »In der Stadt, bei der Bibliothek.«
    Hadrian starrte ihn ungläubig an. »Ihr seid an jenem Abend in Carthage gewesen.«
    »Es ist ein freies Land.«
    »Nein, ist es nicht. Nicht in Carthage, nicht für Leute aus den Camps.«
    Shenker lachte verächtlich auf. »Leute aus den Camps? Soll das ein Witz sein? Sagen Sie es doch einfach.
Briii-kett
.« Er zog das Wort in die Länge. »Obwohl ich gehört habe, manche von euch Älteren bevorzugen den Begriff
Zelt-Nigger
. Nennen auch Sie uns so hinter unserem Rücken?«
    »Habt ihr Jonah ermordet?«, fragte Hadrian.
    »Nelly hat ihn wie einen

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