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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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anzutun.«
    Hadrian stellte die Füße auf den Boden und kämpfte gegen Schmerz und Benommenheit an, als er aufstand. Er zog sich den inzwischen blutigen Verband vom Kopf. »Du hast da was falsch verstanden, Em«, sagte er. »Ich bin keiner von uns mehr.«

K APITEL SIEBEN
    Hadrian wurde das Gefühl nicht los, dass er sich in irgendeinem bizarren Traum über den alten amerikanischen Westen befand. Er humpelte in die heruntergekommene, staubige Stadt und führte sein erschöpftes Pferd am Zügel, während verängstigte Kinder davonrannten, um die Ankunft des Fremden zu melden. Jeder Schritt brachte neue Schmerzen, nicht nur in seinem Arm, wo die Wunden immer wieder bluteten, sondern auch in Beinen und Rücken. Die betagte Stute war gleichmäßig und vergleichsweise sanft vorangetrottet, aber er hatte auf dem Weg durch die Berge zweimal das Bewusstsein verloren und war gestürzt. Das Tier hatte ihn sanft mit der Schnauze angestupst, bis er wieder zu sich gekommen war.
    Nun erblickte die Stute den Wassertrog vor einem primitiven Blockhaus. Hadrian gab die Zügel frei und ließ ihr den Vortritt. Dann torkelte er selbst die verbliebenen paar Meter zu der Tränke. Mit letzter Kraft löste er den Sattel, fiel auf die Knie, trank gierig von dem frischen Wasser und ließ es sich dann über den Kopf laufen. Er ignorierte die Blutrinnsale an seinem Arm, lehnte sich sitzend an den Trog und betrachtete die Hauptstraße der Ansiedlung. Aus den verschlissenen Zelten, deren Plattformen nach der ersten Vertreibungswelle errichtet worden waren und die manchen der Ausgestoßenen immer noch als Unterkunft dienten, kamen mehrere Köpfezum Vorschein. Hier und da ragte ein neues Holzgebäude auf, das Dach mit Sumpfgras und Schilf gedeckt, aber die meisten der Behausungen waren die baufälligen Lehm-und-Flechtwerk-Bauten der Anfangsjahre.
    Männer und Frauen gingen an ihm vorbei, manche misstrauisch, andere eher neugierig. Viele von ihnen waren auf Krücken oder Gehstöcke angewiesen. Einige hatten ihre Köpfe mit Stoffstreifen umwickelt, um Entstellungen zu verbergen. Hadrian hielt nach vertrauten Gesichtern Ausschau, erntete von ein paar älteren Männern und Frauen, denen er und Jonah vor Jahren mal geholfen hatten, jedoch lediglich das eine oder andere zögernde, nervöse Nicken.
    Sein Kopf tat höllisch weh. Die Stute sah ihn mit geweiteten Nüstern an. Sie roch frisches Blut. Hadrian entdeckte einen neuen roten Fleck, der sich auf seinem Ärmel ausbreitete. Er packte die Kante des Trogs und stemmte sich hoch.
    Nach nur einem Schritt drehte sich alles. Ihm wurde schwindlig, er stürzte zu Boden. Seine Augen öffneten und schlossen sich mehrmals, dann verlor er das Bewusstsein. Passend zu seinem Traum war das Letzte, was er sah, ein tätowierter Indianer, der sich über ihn beugte.
    Er erwachte auf einem Strohlager, beschienen von der Nachmittagssonne. Neben ihm saß eine vertraute Gestalt mit bunt bestickter Mütze und wusch seine Wunden.
    »Die Ausreißerin findet ihren Verfolger«, sagte er zu Nelly. »Typisch Nonkonformistin.«
    »Ich bin nicht vor
dir
geflohen, alter Freund«, sagte die kahlköpfige Frau mit bekümmertem Lächeln.
    Als er sich aufsetzte, ließ der Schmerz in seinem Arm ihn zusammenzucken. »Ich habe geträumt, ein Indianer würde mich angreifen.«
    »Ein Indianer«, sagte Nelly langsam und wies zur offenenHintertür der kleinen Hütte hinaus, »der so klug war, dich herzutragen, bevor eine wütende Menge sich um den Eindringling aus Carthage versammeln konnte.« Draußen hackte ein großer dunkelhäutiger Mann Holz.
    »Früher waren wir hier willkommen.«
    »Erstaunlich, wie sehr die diplomatischen Beziehungen leiden, wenn man eine Generation lang wie ein tollwütiges Tier behandelt wird.«
    Hadrian schaute wieder nach draußen. Als der Mann dort sich bückte, um ein Scheit aufzuheben, konnte Hadrian erkennen, dass eine Hälfte seines Gesichts mit irgendwelchen Mustern tätowiert war. »Ein echter Indianer?«, fragte er ungläubig.
    »Sie nennen sich selbst die Erstgeborenen. Ich habe Nathaniel letzten Frühling am Ufer gefunden. Er war nach einem Sturm mehr tot als lebendig angespült worden.«
    »Von der anderen Seite?«
    »Von einem der ursprünglichen Stämme. Ich hatte das große Reservat im Norden schon fast vergessen. Nathaniel sagt, dass viele der Überlebenden seines Volkes sich wieder auf die alte Lebensweise besonnen haben. Manche von ihnen sind Händler oder schlagen sich als Gelegenheitsarbeiter durch.

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