Die Asche der Erde
haben Sie auf Jamies Boot zu finden gehofft?«, fragte sie. »Und wieso sind Sie dieser Frau gefolgt?«
»Warum haben Sie mich beschattet?«
»Habe ich nicht. Ich wollte zur
Zeus
, weil ich dachte, Jamies Mutter würde nun, da er tot ist, vielleicht etwas mitteilsamer sein. Irgendein Zimmermann sagte, ich solle mich diesbezüglich mit dem ehemaligen Schulleiter absprechen, und hat auf den Eingang des Gebäudes gezeigt. Weshalb sind Sie der Frau gefolgt? Und wie konnten Sie sich von Fletcher nur so überrumpeln lassen?«
»Sie verstehen es nicht, Jori«, ertönte hinter ihr Emilys Stimme. »Hadrians ganzes Leben dreht sich darum, Buße zu tun. Er hat schon vor langer Zeit beschlossen, das Ende der Welt sei seine Schuld gewesen. Falls er nicht jeden Tag getreten, geschnitten oder geprügelt wird, sucht er sich einen Stock und schlägt sich selbst den Rücken blutig.«
Jori wich zurück, und die Ärztin schob Hadrian auf den Tisch. Er half ihr dabei, das blutige Hemd abzustreifen, und verzog das Gesicht, als der Stoff an seiner Haut kleben blieb. »Eine permanente Armbinde«, sagte er und versuchte, trotz der Schmerzen zu grinsen.
»Das hätte uns schon vor Jahren einfallen sollen«, murmelte Emily und drückte ihn flach auf den Rücken.
Er biss die Zähne zusammen. Sie schüttete Alkohol über die Schnittverletzungen.
»Die Bootsbesatzungen arbeiten in Doppelschichten«, erklärte er, während sie anfing, die Wundränder zu vernähen. »Alle sind angespannt. Dann sind mir Leute aufgefallen, die ohne erkennbaren Grund Sonnenbrillen tragen.«
»Das ist bloß irgendeine Marotte«, erwiderte Emily. »Der alte Linsenschleifer unten an der Straße sagt, sie seien auf einmal sehr gefragt. Dabei sind die sonnigen Monate vorbei.«
Hadrian hob den Kopf an. »Wieso hast du ihn überhaupt danach gefragt?«
Emily drückte ihn herunter. »Am Tag nach Jamies Einweisung hat jemand eine Sonnenbrille neben seinem Bett liegen gelassen. Ich habe mir erst nichts dabei gedacht, aber nach seinem Tod wurde mir klar, dass jemand gewusst haben muss, was mit seinen Augen passieren würde.«
Hadrian musterte seine Freundin, erkannte die unterdrückte Wut auf ihrem Gesicht. »Das reicht, um neugierig zu werden. Aber was hat dich veranlasst, tatsächlich etwas zu unternehmen?«, fragte er.
»Während ich gestern im OP war, ist Buchanan mit seinem Norger-Rohling hier aufgetaucht und hat einen der Assistenzärzte dazu genötigt, schriftlich zu bestätigen, Jansen wäre erstochen worden. Die Kugeln, die ich ihm aus der Brust geholt habe, sind aus meinem Büro verschwunden.«
Hadrian sah in die Schatten. Waller saß auf einem Stuhl neben der Tür. Sie war sehr still. Er zuckte zusammen, als die Nadel abermals seine Haut durchstach. »Eine der Personen mit Sonnenbrille hatte fast vollständig weiße Augen. Niemand wird mit so etwas geboren.«
»Das stimmt«, bestätigte die Ärztin.
»Und niemand, der bei vollem Verstand ist, springt von einer Scheune, weil er fliegen will.« Seine Worte ließen Emily verstummen. Ihre Miene umwölkte sich mit Sorge. »Auf der Uni kannte ich Leute, die tagelang nicht geschlafen haben. Andere lagen da wie im Koma und wachten lächelnd auf. Wiederum andere könnten versuchen, von einer Scheune loszufliegen.«
Emily runzelte die Stirn. »Eine vergessene Welt mit vergessenentechnischen Verfahren.« Sie legte die Nadel hin, hob seinen Kopf an und hielt ihm die Flasche an die Lippen.
Hadrian beobachtete sie schweigend und nahm an ihr nicht nur Erschöpfung und Wut wahr, sondern nun auch die ersten Anzeichen von Angst. »Es gab jede Menge Zeug mit jeder Menge Namen – Speed, Ecstasy, Acid, Meth, Spanische Fliege.«
»Das hier ist Carthage, Hadrian. Das hier ist das andere einundzwanzigste Jahrhundert.«
»Eine andere Welt mit anderen technischen Verfahren. Du mischst dein eigenes Anästhetikum zusammen. Wer könnte heutzutage wissen, wie man Drogen herstellt?« In seinem Kopf drehte sich alles, und zwar nicht nur wegen des Alkohols. Er fand keine Antworten, bloß weitere Fragen. Schmuggler. Drogen. Mord durch Schakale. Munition. Jonah hatte angefangen, die Ausgestoßenen als Rebellen zu bezeichnen.
»Jonah. Ich, wenn ich die Zeit hätte, gründlich darüber nachzudenken. Unsere Apotheke, die aus den Pflanzen, die uns die Kräutersammler bringen, all die Extrakte und Tinkturen anfertigt. Sonst fällt mir niemand ein. Abgesehen von dem, was für die Gießerei und die Verarbeitungsbetriebe nötig ist, gibt es
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