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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Mittlerweile lebt ein halbes Dutzend hier in den Camps. Wie du ja weißt, haben wir seit zwei Jahrzehnten gute Verwendung für starke Arme.«
    Und diese wenigen starken Arme bewirkten eine ganze Menge, wie Hadrian sah, als er eine Stunde später allein am Eingang von Nellys Hütte saß. Sie war auf Nahrungssuche in den Wald gegangen und hatte darauf bestanden, dass er blieb und sich erholte. Nun bemerkte er die kleinen Verbesserungen. Andererseits gab es auch neue Rückschläge, die den Ausgestoßenen unausweichlich zu schaffen machten. Die Gärten schienen sich auf den ersten Blick in besserem Zustandzu befinden als je zuvor – beackert, von Steinen befreit, oft auch neu eingezäunt. Doch in den meisten gab es außerdem schwelende Haufen aus verfaulten Kartoffeln und Kürbissen, die vernichtet wurden. Man hatte eine kleine Windmühle gebaut, die eine Wasserpumpe antrieb, aber die Bespannung ihrer Flügel war alt und zerlumpt. Manche Passanten trugen bessere, offenbar irgendwo geborgene Kleidung als gewöhnlich, andere hatten kaum mehr als Stofffetzen auf dem Leib. Eine Frau humpelte vorbei. Ihre Weste war aus Schilf geflochten.
    Hadrian lehnte sich an den Türrahmen und döste ein. Als er aufwachte, stand neben ihm auf einem dreibeinigen Hocker ein Becher mit heißem Tee. Er erkannte die zugleich süße und herbe Kräutermischung nicht, trank aber durstig davon und fühlte sich beachtlich erfrischt. Als er den Becher in der Küche abstellte, hielt niemand sich in der Hütte auf, also folgte er der staubigen Straße auf die Hügelkuppe oberhalb des bescheidenen Hafens der Camps. Beim letzten Mal hatte es hier nur einen klapprigen Anleger für die kleinen Fischerboote der Ausgestoßenen gegeben. Verwirrt blieb Hadrian stehen. Den alten Anleger gab es immer noch, so baufällig wie eh und je. Doch darüber hinaus hatte man in der Zwischenzeit einen neuen, größeren Kai errichtet und dazu ein robustes Bootshaus.
    Hadrian schlich sich von der Straße in die Schatten am Waldrand, kletterte auf einen Felsen und beobachtete den Hafen. Die kräftigen Arbeiter dort schienen nicht aus den Camps zu stammen, obwohl es unter ihnen nicht nur Erstgeborene gab, sondern auch einige mit blonden Haaren. Am Bootshaus lag ein großer Stapel Brennholz. Nur die Dampfer aus Carthage benötigten einen solchen Treibstoff. Buchanan würde etwaige Besuche in den Camps niemals dulden – sofern er davon erfuhr. Aber der neue Kai und das Brennholzbelegten, dass zumindest einer der großen Trawler regelmäßig hier anlegte. Dennoch deutete nichts auf eine Fischfabrik oder auch nur einen Fischmarkt hin.
    Er nahm noch einmal die Hauptstraße der Ansiedlung in Augenschein, die humpelnden, missgebildeten Einwohner, die ausgemergelten Gesichter, die altersschwachen Behausungen. Ihm fiel eine Frau auf. Sie trug ein uraltes, aber gut erhaltenes Footballtrikot mit einer großen Nummer auf dem Rücken. Nelly hatte ihm erzählt, dass es mit den Leuten im Norden Handelsbeziehungen gab, dabei aber nicht erwähnt, woher die verarmten Camps auf einmal die Mittel nahmen, um für die Handelsgüter zu bezahlen. Die Ausgestoßenen besaßen nichts Wertvolles.
    Er stieg ein Stück den Hang hinab und sah nun, dass jenseits des Bootsschuppens ein kleines, schnittiges Segelboot vor Anker lag. Zwei hochgewachsene Männer – darunter ein Erstgeborener, seiner Körpergröße und dem langen schwarzen Haar nach zu urteilen – gingen einen Uferpfad entlang, vorbei an dem Boot und weiter zu einer Stelle, an der aus irgendeiner verborgenen Quelle Rauch aufstieg. Hadrian schlich sich weiter den Hügel hinunter, bis er den Ort einsehen konnte. Man hatte auf einer kleinen Halbinsel, die mit dem Ufer durch eine etwa drei Meter breite Landzunge verbunden war, mehrere Blockhäuser errichtet. Der Komplex war nicht nur durch seine Lage geschützt, sondern auch durch eine kürzlich hinzugefügte Palisade. Als die beiden Männer sich dem Tor dort näherten, trat ein Wachposten mit einer Schrotflinte vor und winkte sie durch.
    Hadrian fühlte sich, als hätte er einen finsteren, eisigen Schatten betreten. Der Anblick dort ergab für ihn keinen Sinn, hinterließ aber einen kalten, metallischen Geschmack in seinem Mund.
    Er zog sich tiefer in den Wald zurück und kam einen knappenKilometer jenseits von Nellys Hütte wieder zum Vorschein, damit es so aussah, als wäre er nach Süden gegangen. Dann nahm er sich die Zeit, mit einem Jungen und seinem Hund zu spielen. Der deformierte Fuß des

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