Die Asklepios Papiere (German Edition)
davon.
22.
„ B rauchbar! Aus dir kann vielleicht doch noch ein Reporter werden“, urteilte Emil Damme, der Chefredakteur von Toute la vérité , über Claude Bonés Bericht über die Pressekonferenz bei PSU. Emil war ein abgebrühter Profi, der stets Tacheles redete und sich in der Regel nicht um zwischenmenschliche Befindlichkeiten scherte. Wegen seiner direkten Art eckte er zwar oftmals an, hatte jedoch auch schon unzählige Auszeichnungen und Preise für seine herausragende journalistische Arbeit gewonnen. Mit Mitte sechzig stand er kurz vor dem Ruhestand. Er würde die Leitung von Toute la vérité daher bald abgeben, doch bis dahin war die Sendung sein Baby. Hier hatte er Narrenfreiheit und der Sender tat sich ausgesprochen schwer damit, einen adäquaten Nachfolger für ihn zu finden.
„ Bei der Redaktionssitzung nachher bist du dabei. Wir besprechen dann das Video Feature zu diesem neuen Wunder-Impfstoff.“
Claude wäre Emil vor Dankbarkeit am liebsten um den Hals gefallen. Bei der täglichen Redaktionssitzung dabei zu sein, war die halbe Miete, um auch bei der eigentlichen Produktion beteiligt zu werden. Nach so langer Zeit stupider Praktikantentätigkeiten stand er kurz davor, endlich das zu machen, wovon er schon seit seinem Studium träumte.
„Bring deine Unterlagen mit. In zwanzig Minuten im großen Konferenzraum.“ Regelrecht euphorisiert verließ Claude das Büro seines Chefs.
Da bis zum Beginn der Redaktionssitzung noch etwas Zeit blieb, beschloss er, endlich seine Schwester anzurufen.
„Salut Claude“, meldete sich Chiara Thékat mit zittriger Stimme. Claude erkannte sofort, dass mit seiner älteren Schwester etwas nicht stimmte. Ihre Selbstbeherrschung war eigentlich bewundernswert. Selbst in den aufreibendsten Situationen konnte sie gewöhnlich nichts aus der Ruhe bringen. Diese Fähigkeit zur absoluten Professionalität auch in Krisensituationen hatte ihre Karriere bei PSU regelrecht befeuert. Mit Ende Zwanzig war sie eine der jüngsten Teamleiterinnen in der Firma. Doch im Moment konnte sie ihre Gefühlslage nicht verbergen.
„ Hey, was ist los?“
„ Peter…“, begann Chiara, nur um sofort wieder zu verstummen.
„ Was ist mit Peter?“
„ Die Polizei war vorhin bei mir. Er ist verschwunden. Ihm ist bestimmt etwas passiert. Er hat sich seit Montagabend nicht mehr gemeldet.“
Das konnte doch kein Zufall sein. Peter hatte ihn Montagnacht angerufen, weil er ihm etwas „ Unglaubliches “ zeigen wollte, aber seit diesem Anruf hatte er nichts mehr von ihm gehört.
„ Keine Einzelheiten am Telefon. Nur so viel: es geht um die Firma, bei der ich arbeite“, hatte er am Telefon geheimnisvoll erklärt. Sie hatten sich dann für zwei Uhr nachts am Louvre verabredet, wo er ihm unwiderlegbare Beweise übergeben wollte. Doch er war zu dem Treffen nicht erschienen. Kein Anruf, keine SMS, nichts.
„ Das kann ich mir nicht vorstellen“, erwiderte Claude, obschon er Peter nur wenige Male gesehen hatte und eigentlich so gut wie nichts über ihn wusste. Was er aber wusste war, dass sein journalistischer Instinkt geweckt war. Vielleicht gab es einen Zusammenhang zwischen dem, was Peter der Presse übergeben wollte und seinem mysteriösen Verschwinden.
„ Hör mal“, begann Claude unsicher, wie seine Schwester darauf reagieren würde. „Peter wollte mir Montagnacht irgendwelche Unterlage von eurer Firma übergeben. Inoffiziell, für unsere nächste Sendung. Er ist am vereinbarten Treffpunkt aber nicht aufgetaucht.“
„ Was?“, rief Chiara ungläubig ins Telefon. „Und das erzählst du mir erst jetzt!“
„ Naja…ich weiß doch auch nichts. Weder, um was es ging, noch wieso Peter nicht zu unserem Treffen erschienen ist. Bis gerade eben wusste ich doch noch nicht einmal, dass er verschwunden ist.“
„ Er steckt in Schwierigkeiten. Da bin ich mir sicher!“
Abwegig war diese Vorstellung durchaus nicht. Da sich Peter ausgerechnet an ihn gewandt hatte, konnte das nur bedeuten, dass er irgendetwas aufdecken wollte und kurz bevor er die Beweise übergeben kann, verschwindet er spurlos. Einen merkwürdigen Beigeschmack konnte man nicht verleugnen.
„Glaubst du, du kannst in der Firma herausfinden, welche Unterlagen Peter mir geben wollte? Gab es in letzter Zeit vielleicht Probleme, die unter den Teppich gekehrt werden sollten?“
„ Nicht das ich wüsste. Aber ich werde mich mal umhören. Vielleicht finde ich ja auf Peters Schreibtisch oder in seinem Computer einen
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