Die Asklepios Papiere (German Edition)
berühmten verstorbenen Persönlichkeiten wie Frédéric Chopins, Jim Morrison oder Édith Piaf verzeichnet waren. Die Menge an bekannten Personen der Zeitgeschichte, die auf Pére Lachaise ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten, sorgte seit Jahrzehnten für einen regelrechten Grabtourismus, der bewirkte, dass man bereits im Eingangsbereich mehr Touristen als Trauernden begegnete.
Lennard kaufte einen Plan und ging zu einer Mauer, wo sie ihn ungestört ausbreiten und studieren konnten. Der Friedhof wies mit formstrengen Achsen und einer akribischen Einteilung in Divisions eine klare Struktur auf. Kleine gepflasterte Gassen mit Hochborden erweckten dabei eher den Eindruck einer kleinen Stadt, denn den eines Friedhofs. Hannah fuhr mit dem Finger über das alphabetische Verzeichnis.
„ Da…Oscar Wilde“, sagte sie und tippte auf den entsprechenden Eintrag.
Lennard nickte und deutet auf den breiten Weg zu seiner Rechten. „Hier geht´s lang.“
Nachdem sie einige hundert Meter nordöstlich gegangen waren, erhob sich vor ihnen eine kleine Anhöhe mit dem prächtigen Kolumbarium, einer großen Grabkammer für Urnen. Direkt dahinter ragten die schwarzen Kaminspitzen des angrenzenden Krematoriums hervor. Glücklicherweise stieg gerade kein Rauch empor. Hannah überkam ein seltsames Gefühl, wenn sie daran dachte, dass dort drüben – quasi vor jedermanns Augen – Leichen eingeäschert wurden.
Pére Lachaise bot eine überaus seltsame Atmosphäre. Aus beinahe jeder Gasse spazierten Menschen mit Rucksäcken, Sonnenbrillen und Fotoapparaten. Hannah fiel es in diesem Umfeld von Schaulustigen ausgesprochen schwer, dem Ort die sakrale Ehrerbietung aufzuweisen, die ein Friedhof verdient hatte.
Zielstrebig verfolgten sie ihren Weg, vorbei an großen und kleinen, beeindruckenden und nichtssagenden Grabmälern, Skulpturen und Figuren jeglicher Art und Güte.
„Da vorne liegt Jim Morrison begraben“, sagte Lennard, zeigte nach rechts und wies auf ein bodennahes vergleichsweise bescheidenes Grab, auf dessen Grabstein ein Meer frischer Blumen lagen.
„ Schon erstaunlich“, dachte Hannah, „dass ausgerechnet auf diesem Friedhof so viele bekannte Persönlichkeiten begraben sind.“ Friedhöfe dieser Größe gab es immerhin in vielen Städten. Wieso ausgerechnet Pére Lachaise ?
„ Aha“, sagte sie, verlangsamte gleichwohl nicht ihren Schritt, da sie Jim Morrison nicht wirklich interessierte.
„ Irgendwie weist dieser Friedhof schon makabre Züge auf“, meinte Hannah. „Die Wege sind sogar mit Namen und Schildern ausgezeichnet, wie bei einer richtigen Straße“, sie wies auf ein kleines rechteckiges schwarzes Straßenschild.
„ Ja komisch, was?“, stimmte Lennard zu und warf einen weiteren Blick in den Faltplan
34.
L uc erwachte gegen fünf Uhr morgens aus einem tiefen Schlaf und hätte sich selbst ohrfeigen können, dass er eingenickt war. Wütend schlug er mit der Hand auf das Lenkrad Ein Blick auf die heruntergelassenen Jalousien von Peter Kruegers Wohnung beruhigten ihn jedoch sofort wieder. Madame Bachmayer genoss offensichtlich noch ihren Schönheitsschlaf.
Er schüttelte die durch das lange Sitzen steif gewordenen Schultern und Arme aus. Noch vor wenigen Jahren hätte er eine solche Observation mit nur einer Tasse Kaffee locker überstanden. Doch mittlerweile spürte er den Zahn der Zeit auch an seinem Körper nagen.
Luc kurbelte das Seitenfenster herunter und steckte sich eine Gauloises an. Jetzt hieß es warten, bis die Zielpersonen endlich das Haus verließen. Doch die Stunden zogen sich endlos dahin wie Kaugummi. Um kurz nach acht Uhr wurden dann endlich die Jalousien hochgezogen.
„ Na, das wird aber auch langsam Zeit“, knurrte Luc, der eine geschlagene weitere Stunde warten musste, bevor die Deutsche in Begleitung von Dr. Schulz – dem Namen hatte er mittlerweile auf dem Klingelschild gelesen – die Wohnung verließ. Er ließ den beiden einen kleinen Vorsprung, stieg dann aus dem Auto und folgte ihnen in sicherem Abstand zu Fuß. Scheinbar gingen sie zur Metro.
35.
C laude saß an seinem Schreibtisch im Kellergeschoss von TV5, die Arme aufgestützt und den Kopf zwischen seinen Händen. Heute war eigentlich ein wichtiger Tag. Er würde mit dem Produktionsteam zu PSU fahren, um den Bericht über den neuen Impfstoff aufzuzeichnen. Er konnte es zwar kaum erwarten, endlich richtige Nachrichtenarbeit machen zu können, doch kämpfte er momentan mit
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