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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Wüllenweber
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folgen zu können, ist Schulversagen: das Versagen der Schule, sich auf die Anforderungen der Schüler angemessen einzustellen.
    Die PISA -Studie hat mehrfach und eindrucksvoll nachgewiesen, wie extrem das deutsche Schulsystem Kinder bildungsferner Eltern benachteiligt. Soziale Herkunft ist der wichtigste Grund für Schulversagen. Das, was nur in Deutschland als »lernbehindert« eingestuft wird, ist meistens kein Geburtsfehler und kein genetischer Defekt. Es ist ein soziales Merkmal. So erklärt sich auch, warum im Unterschichtsbezirk Marzahn die Förderquote drei Mal so hoch ist wie im reichen Zehlendorf.
    Anstatt die benachteiligten Kinder in das Regelsystem zu integ rieren, steckt man sie in die Behindertenschublade. So wird Unterschicht in Deutschland zu einer Behinderung. Und die Kinder der Parallelgesellschaft werden abgeschoben in ein Parallelsystem. Eine Ghettoschule für die Ghettokids.
    Für die Helfer sind das gute Nachrichten: Mehr Behinderte bedeuten mehr Arbeit und mehr Umsatz. Der Markt wächst. Der kreative Umgang mit Etiketten macht aus dem Nachwuchs der Unterschicht Nachwuchs für die Behindertenindustrie. »Es gibt einen starken ökonomischen Anreiz für die Diagnose ›behindert‹. Denn der Ressourcenfluss ist daran gekoppelt«, erklärt der Bildungsforscher Klaus Klemm.
    Früher hießen die Schulen »Hilfsschulen«. Die alte Bezeichnung passt besser zur heutigen Situation, denn die Schulen werden sehr häufig von Unternehmen der Hilfsindustrie betrieben, nicht vom Staat. 25 Mehr Kinder mit Förderbedarf bedeuten mehr Aufträge und mehr Umsatz für die privaten Hilfsschulen. In Sachsen waren die Förderschulen bis vor Kurzem gleich selbst dafür zuständig, den speziellen Förderbedarf eines Kindes amtlich festzustellen. Wie praktisch!
    Förderschule, das klingt so menschlich, so gut. Als ob man damit den Ansprüchen behinderter Kinder auf Teilhabe in ganz besonderer Weise Rechnung tragen würde. Doch das Gegenteil ist der Fall: 76 Prozent verlassen die Förderschule ohne Hauptschulabschluss, also ohne die Mindestvoraussetzung für Teilhabe am Arbeitsleben. Die spezielle Förderung erreicht ihr Ziel, die Teilhabe, in den allermeisten Fällen nicht. »Abfalleimer des Systems« nennt darum Hans Wocken, Hamburger Professor für Lernbehindertenpädagogik, die Förderschulen. 26
    Bildungsforscher Klemm hat nicht nur den fehlenden Lernerfolg der deutschen Förderschulen nachgewiesen. Seine Studie »Sonderweg Förderschulen« zeigt auch, dass die Separierung behinderter Kinder für den Staat teurer ist als die Inklusion. 27 Würden die Milliarden für die Hilfsschulen ausgegeben, sondern die Förderschüler zusammen mit ihren vielen Tausend Sonderpädagogen in die Regelschulen integriert, würde die Staatskasse geschont und Kinder besser gebildet und integriert.
    Der kausale Zusammenhang zwischen gescheiterter Bildung und den deutschen Förderschulen wird spätestens deutlich, wenn man die Zahlen der Bundesländer miteinander vergleicht: Die Bundesländer, in denen die Kinder am häufigsten als »förderbedürftig« eingestuft werden, schicken meist auch einen besonders großen Anteil dieser Kinder in Förderschulen. Sonst rentiert es sich ja nicht für die Sozialbranche. Und genau diese Bundesländer sind besonders erfolglos, was die Schulabschlüsse der Förderkinder angeht. In Mecklenburg-Vorpommern verpassen 81 Prozent den Hauptschulabschluss, in Sachsen-Anhalt sogar 95 Prozent. 28
    Die Überlegenheit integrativer Bildung ist nicht nur in Deutsch land überzeugend nachgewiesen. Eine Vielzahl internationaler Studien belegt, dass behinderte Kinder wirksamer gefördert werden können, wenn sie mit Nichtbehinderten zusammen lernen. 29 Diese Ergebnisse wurden Bestandteil der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen vom 13.12.2006. 30 Seit 2009 gilt sie auch in der Bundesrepublik. Das wichtigste Ziel der UN -Konvention ist die »Inklusion«. Sie gibt ausnahmslos allen Kindern das Recht, ganz normale Regelschulen zu besuchen. 31 Ein Gutachten der Max-Traeger-Stiftung geht davon aus, dass die UN -Konvention das deutsche Bildungswesen dazu verpflichtet, 80 bis 90 Prozent aller behinderten Kinder in regulären Schulen zu integrieren. 32
    Die Realität in Deutschland ist jedoch fast exakt das Gegenteil: 84,3 Prozent aller Kinder mit Förderbedarf besuchen eine spezielle Förderschule. 33 Statt Inklusion verfolgt Deutschland eine Strategie der Selektion: Behinderte Kinder werden in die Reservate der

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