Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
Hilfsschulen abgedrängt. Das System der deutschen Förderschulen widerspricht der UN -Behindertenrechteskonvention und damit deutschem Recht.
Die Separierung behinderter Kinder können indes weder Gesetze oder UN -Konventionen aufhalten noch wissenschaftliche Erkenntnisse. Auch nicht die deutsche Politik. Das muss sogar Hubert Hüppe erkennen. Er ist Vater eines behinderten Jungen und »Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen«. Der Vater Hüppe hat stets darum gestritten, dass sein Sohn am Unterricht in einer Regelschule teilhaben darf. »Die größten Probleme gibt es immer, wenn Sie versuchen, die Sonderwege zu verlassen«, berichtet Hüppe. Was passiert, wenn Eltern ihr Kind der Hilfsschule vorenthalten wollen? »Uns wurde unterstellt, wir hätten uns nicht mit der Behinderung unseres Sohnes abgefunden.« Das schlechte Gewissen ist traditionell eines der wirksamsten Marketinginstrumente im Hilfsgeschäft.
Der Politiker Hüppe muss sich der Macht der Sozialindustrie beugen. In Gesprächen bat er mich um Verständnis, dass er nicht öffentlich über seine Erfahrungen mit der Branche der Sonderschulbetreiber berichten kann.
Bildungsforscher Klemm kann offener reden: »Es gibt einen massiven Widerstand gegen das gemeinsame Lernen, und zwar von denen, die ihren Arbeitsplatz in den Fördereinrichtungen nicht aufgeben wollen.«
Maik Nothnagel ist jemand, der ungebremst genau sagt, was er denkt. Er ist selbst körperbehindert und aktiv im Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter. »Diejenigen, die sich gegen Inklusion wehren, das ist die Wohlfahrtsmafia. Die brauchen mich, die brauchen uns Behinderte, um mit uns Geld zu verdienen.«
Es ist eine der zentralen Aufgaben des Sozialstaates, die Chancen der Benachteiligten auf Teilhabe zu verbessern. Mit seinen Bemühungen und seinen Milliarden erreicht das Hilfssystem in Deutschland jedoch das Gegenteil. Insbesondere die Kinder der Unterschicht werden, sobald sie schwierig werden, systematisch als behindert deklariert und unter dem Vorwand der Hilfe aussortiert. Im Bildungssystem gilt: einmal draußen, immer draußen.
Das sind schon wieder exzellente Nachrichten für die Behindertenindustrie: Behinderte ohne Schulabschluss haben keine Chance auf einen Job am ersten Arbeitsmarkt. Maik Nothnagel erklärt, wie daraus eine Verwertungskette der guten Taten geschmiedet wird: »Von der Förderschule rein in die Behindertenwerksatt. Dazu betreutes Wohnen und am Ende Pflegeheim. Wenn die einen einmal haben, geben sie einen nicht mehr her. Als Behinderter bist du lebenslang ein Werkstück, mit dem Geld gemacht wird.« Im Hilfssystem gilt: einmal drin, immer drin.
Helfer in Nadelstreifen
»Seelische Behinderungen, das ist die Entwicklung, auf die wir uns einstellen«, freute sich Jan Baumgarten 34 , ein Topmanager der Behindertenbranche. Baumgarten war kein typischer Sozialarbeiter mit Helfersyndrom, er hatte den schwarzen Gürtel in der Disziplin Unternehmensberatung. Voller Stolz verwies er auf seinen Werdegang: »Früher war ich Partner bei einer großen Personalberatung.« Danach hat er Karriere gemacht und war zum Geschäftsführer von Regenbogen 35 aufgestiegen, einem der größten Träger im Bereich Behindertenhilfe in Berlin. Ich traf Baumgarten in exklusiver Umgebung am Berliner Grunewaldsee, einer der besten Lagen der Hauptstadt. Der repräsentative Bau gehörte zu seinem Reich, genauso wie der Dienst-Audi A6 auf dem Parkplatz.
Vor dem Gesetz ist Regenbogen ein Verein mit gerade mal 100 Mitgliedern. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Meisterwerk verschachtelter Unternehmensarchitektur ein kleiner Hilfskonzern, in dem fast 800 Beschäftigte an über 50 Standorten arbeiten. Dazu gehören Behindertenwerkstätten, Bildungseinrichtungen, ein großer Bauernhof, Handwerksbetriebe, Hotels, Restaurants und Cafés an den Vorzeigeadressen Berlins.
»Ein Unternehmen der Sozialbranche muss ähnlich professionell gemanagt werden wie alle anderen Unternehmen auch«, dozierte der CEO von Regenbogen. Dazu gehörte auch ein rentables Finanzmanagement des beträchtlichen Vermögens des »Vereins«. Trotz der Umsätze aus den vielen Betrieben muss bei Wohlfahrtsunternehmen wie Regenbogen der weitaus größte Teil der Kosten vom Staat bezahlt werden. Ein cleverer Umgang mit Förderungen und Zuschüssen aus öffentlichen Kassen gehört zum Einmaleins einer Sozialfirma. »Bei uns gibt es natürlich Spezialisten, die sich im Dickicht der
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