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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Wüllenweber
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Selbst nach über einem Jahr intensiver Arbeit ist es der Berliner Justiz nicht gelungen, das komplexe Gebilde aus gemeinnützigen GmbHs, gewerblichen GmbHs und diversen Vereinen so zu entwirren, dass am Ende der rechtliche Sachverhalt eindeutig geklärt ist. Und die zentrale Frage des Verfahrens bleibt weiter unbeantwortet: Findet man irgendeinen Paragrafen, der es verbietet, dass sich ein Sozialunternehmer an den Überschüssen seines Unternehmens bereichert und sich mit der Beute ein schönes Leben macht?
    »Die ganze Struktur ist eine Einladung zum Missbrauch«, sagt die Ermittlerin Galley. Doch damit ist weniger der illegale Missbrauch gemeint, der Betrug. Das Problem der Hilfsindustrie ist der erlaubte Missbrauch.
    Der Kontrollverlust des Staates
    In Berlin und in Hamburg haben die Rechnungshöfe die Arbeit der Sozialämter überprüft und dabei »gravierende Mängel« bei der Kontrolle der Verwendung der Hilfsgelder festgestellt. 42 Die Situation könne »nicht weiter hingenommen werden«, heißt es in einem Rechnungshofbericht aus Hamburg. 43 Die staatlichen Stellen müssen also gegensteuern.
    In Berlin ist Mario Czaja ( CDU ) dafür zuständig, die »gravierenden Mängel« zu beseitigen, denn er ist Senator für Gesundheit und Soziales in der Hauptstadt. Doch der Senator hisst die weiße Fahne. Für ihn ist der Sozialmarkt ein Bereich, »in dem der Auftraggeber von dem eigentlichen Geschäft nichts mehr versteht.«
    Wer steuert eigentlich, was mit den 115 bis 140 Milliarden Euro geschieht, die der Sozialstaat jährlich an die Hilfsindustrie zahlt? »Niemand«, sagt Wolfgang Hinte von der Uni Duisburg-Essen. »Niemand«, sagt Iris Röthig, die Herausgeberin von Wohlfahrt intern. »Niemand«, sagt Matthias Ninke von der Bank für Sozialwirtschaft. »Niemand«, sagt Stefan Thyroke von verdi. »Niemand«, sagt der Verwaltungsrechtler Ulrich Battis. »Niemand«, sagt Bernd Maelicke vom Deutschen Institut für Sozialwirtschaft. »Niemand«, sagt Helmut Hartmann vom Beratungsunternehmen con_sens. »Niemand«, sagt der Verfassungsrechtler Helge Sodan von der FU -Berlin. »Niemand«, sagt die Ermittlerin Birgit Galley von Forensic Management. »Niemand«, sagt der Hamburger Sozialwissenschaftler Manfred Neuffer. »Niemand«, sagt Georg Ehrmann von Kinderhilfe direkt. »Niemand«, sagt Richter Peter Bringewat aus Lüneburg. »Niemand«, sagt Jonathan Fahlbusch vom Deutschen Verein. »Niemand«, sagt Hans-Robert Walbröl von Ernst & Young. »Niemand«, sagt der Behindertenbeauftragte Hubert Hüppe. »Niemand«, sagt Peter Eichhorn von der SRH Hochschule in Berlin. »Niemand«, sagt Maik Nothnagel vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter.
    »Niemand«, sagt Heinz Buschkowsky der Bürgermeister von Berlin-Neukölln. Er leidet ganz besonders unter dem staatlichen Kontrollverlust. »Ich habe den Überblick verloren, wie viele soziale Träger wir hier haben«, gibt er zu. »Ich weiß nur: Es sind Hunderte. Und viele haben Unterträger. Wir sind dem wehrlos ausgeliefert.« Die meisten Helfer sind längst auch Profis in der Kundenakquise, weiß der Bürgermeister. »Bei uns beantragen immer mehr Analphabeten sozialpädagogische Hilfe. Die Anträge sind aber voll von Fachausdrücken der Sozialpädagogik.« Viele Bürgermeister und Landräte beschweren sich darüber, dass Vertreter der Sozialunternehmen jede Straße, jeden Wohnblock systematisch durchkämmen auf der Suche nach Hilfsfällen. Die Drückerkolonnen des Sozialen.
    Wer soll das bezahlen? Die Kommunen. Sie sind die staatliche Ebene, die für die Hilfe vor Ort zuständig ist. Dennoch werden die Kosten für soziale Dienstleistungen in den Kommunalhaushalten nicht eigens ausgewiesen. Buschkowsky hat den Betrag für das Bezirksamt Neukölln einmal ausrechnen lassen. »Das kann sich niemand vorstellen, wie kompliziert so was ist«, sagt Buschkowsky. Ergebnis der Rechnerei: Neukölln gibt mehr für soziale Dienstleistungen aus als für direkte Transferzahlungen an die Bedürftigen selbst. Rund 40 Prozent des gesamten Haushaltes des Bezirkes landen am Ende in den Kassen der Hilfsindustrie.
Es ist der größte Haushaltsposten von allen.
    »Die Sozialunternehmen sind die Reichen in unserem Bezirk«, sagt Buschkowsky. »Die bauen neue Häuser, sanieren alte und kaufen, kaufen, kaufen.« In Neukölln zeigen sich die Probleme des deutschen Sozialstaates besonders drastisch und ein wenig früher als woanders. Hier kann man schon jetzt die eigentliche Dimension des

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