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Die Aspern-Schriften (German Edition)

Die Aspern-Schriften (German Edition)

Titel: Die Aspern-Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry James
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seien wenigstens Sie nicht allzu stolz«, begnügte ich mich zu sagen. »Verstecken Sie sich nicht vor mir, nicht alle beide.«
    »Ich muss bei meiner Tante bleiben«, erwiderte sie, ohne mich anzusehen. Und völlig unvermittelt, ohne irgendeine Geste des Abschieds, machte sie im selben Moment kehrt und verschwand, sodass ich mir den Weg nach unten allein suchen musste. Ich nahm mir noch ein Weilchen Zeit und schlenderte durch die hell erleuchteten, öden Räume des alten Hauses – mittlerweile schien die Sonne herein – und dachte noch an Ort und Stelle über die Situation nach. Nicht einmal die kleine Dienstmagd kam mit ihren klappernden Schritten herbei, um nach dem Rechten zu sehen, und ich sagte mir, dass ein solches Verhalten schließlich doch von Vertrauen zeugte.

IV

    Vielleicht war es so, gleichwohl hatte ich sechs Wochen später, es ging auf Mitte Juni zu, zum Zeitpunkt, als Mrs. Prest ihre jährliche Abreise aus Venedig antrat, noch keine sichtbaren Fortschritte gemacht. Ich musste ihr gestehen, dass ich keine Ergebnisse vorzuweisen hatte. Mein erster Schritt war unerwartet schnell vonstatten gegangen, aber es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass ein zweiter folgen sollte. Ich war noch meilenweit davon entfernt, mit meinen Wirtinnen Tee zu trinken – und es war doch genau das Privileg, das wir uns beide ausgemalt hatten, wie ich meiner geschätzten Freundin ins Gedächtnis rief. Sie warf mir mangelnde Kühnheit vor, und ich erwiderte darauf, dass man auch zum Kühnsein eine Gelegenheit brauche: Man könne sich zwar durch eine Lücke zwängen, doch eine feststehende Wand könne man nicht niederreißen. Sie gab zurück, dass die Bresche, die ich bereits geschlagen hätte, groß genug sei, um eine ganze Armee hindurchzulassen, und warf mir vor, kostbare Zeit mit Gewimmere in ihrem Salon zu vergeuden, während ich eigentlich den Kampf auf dem Schlachtfeld hätte fortführen sollen. Es stimmt, dass ich sie sehr häufig besuchte – immer in der Annahme, es würde mir Trost verschaffen (ich sprach freimütig über meine Schwierigkeiten), da ich meine Vorhaben um jeden Preis zum Erfolg führen wollte. Doch ich spürte mehr und mehr, dass es mich nicht tröstete, ständig wegen meiner Skrupel aufgezogen zu werden, zumal ich doch in Wirklichkeit höchst wachsam war; so war ich im Grunde froh, als meine ironische Freundin ihr Stadthaus für den Sommer schloss. Sie hatte sich erhofft, an dem Drama meines Umgangs mit den Damen Bordereau interessante Unterhaltung zu finden, und war nun enttäuscht, dass der Umgang und folglich das Drama nicht eingetreten waren. »Die beiden werden Sie noch in den Ruin treiben«, sagte sie vor ihrer Abreise aus Venedig. »Sie werden Ihnen Ihr ganzes Geld abnehmen, ohne Ihnen auch nur einen Fetzen Papier zu zeigen.« Ich glaube, nach ihrer Abreise begab ich mich mit größerer Konzentration an meine Aufgabe.
    Es entsprach den Tatsachen, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt, abgesehen von einer einzigen kurzen Gelegenheit, nicht den geringsten Kontakt mit meinen seltsamen Wirtinnen gehabt hatte. Die Ausnahme war eingetreten, als ich ihnen meiner Zusage entsprechend die erschreckende Summe von dreitausend Franken überbrachte. Damals hatte ich Miss Tina in der Empfangshalle angetroffen, wo sie mich erwartete, und sie nahm das Geld so schnell aus meiner Hand entgegen, dass keine Zeit mehr blieb, ihre Tante zu sehen. Die alte Dame hatte versprochen, mich zu empfangen, hatte jedoch offenbar keine Bedenken, dieses Versprechen zu brechen. Das Geld befand sich in einem Beutel aus geschmeidigem Leder von beachtlicher Größe, den mein Bankier mir übergeben hatte, und Miss Tina musste kräftig zupacken, als sie ihn entgegennahm. Dies tat sie mit größter Feierlichkeit, wenngleich ich mich bemühte, die Sache ein wenig ins Scherzhafte zu ziehen. Es war jedoch keineswegs in scherzhafter Absicht, sondern vielmehr mit einer Klarheit, die schon fast an Munterkeit grenzte, als sie fragte, während sie das Geld in ihren Händen wog: »Glauben Sie nicht, dass es zuviel is t ?« Worauf ich erwiderte, das hinge davon ab, wie viel Vergnügen ich dafür bekäme. Daraufhin wandte sie sich schnell von mir ab, wie sie es schon am Vortag gemacht hatte, und murmelte in einem Ton, der anders klang als alles, was sie bisher geäußert hatte: »Oh je, Vergnügen, Vergnügen – in diesem Haus gibt es kein Vergnüge n !«
    Danach sah ich sie lange Zeit nicht wieder und wunderte mich, dass die üblichen

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