Die Aspern-Schriften (German Edition)
dafür danken sollen. Aber ich schreibe keine Briefe und empfange nur in großen Abständen Gäste.«
Sie hatte sich nicht bei mir bedankt, solange die Blumen noch regelmäßig eintrafen, hatte aber ganz gegen ihre Gepflogenheiten sofort nach mir schicken lassen, als sie befürchten musste, sie würden fortan ausbleiben. Dies nahm ich sehr wohl zur Kenntnis; es fiel mir wieder ein, wie gewinnsüchtig sie sich mir gegenüber gezeigt hatte, als es darum ging, mir Gold aus der Tasche zu ziehen, und insgeheim gratulierte ich mir zu dem guten Einfall, meine Achtungsbezeigung einzustellen. Sie hatte sie vermisst und war nun zu einem Zugeständnis bereit, um die Geste zurückzuerobern. Beim ersten Anzeichen eines solchen Zugeständnisses musste ich ihr auf jeden Fall entgegenkommen. »In der letzten Zeit haben Sie leider nicht viele bekommen, aber sie werden ab sofort wieder eintreffen – morgen, schon heute Abend.«
»Oh ja, bitte schicken Sie uns noch heute Abend welch e !« rief Miss Tina, als handelte es sich um eine wichtige Sache.
»Was sollten Sie auch sonst damit anstelle n ? Es entspricht nicht dem Geschmack eines Mannes, sein Zimmer in eine Laube zu verwandeln«, bemerkte die alte Frau.
»Ich mache aus meinem Zimmer keine Laube, aber ich liebe es über alle Maßen, Blumen zu hegen und zu pflegen, zuzusehen, wie sie sich entwickeln. Das ist keineswegs unmännlich: Es war der Zeitvertreib von Philosophen, von Staatsmännern im Ruhestand und sogar, wie ich zu wissen glaube, von großen Feldherren.«
»Ich nehme an, Sie wissen, dass Sie sie verkaufen könnten – alle, die bei Ihnen überzählig sind«, fuhr Miss Bordereau fort. »Vermutlich würde man Ihnen nicht viel dafür geben, trotzdem, Sie könnten ein Geschäft damit machen.«
»Ich bitte Sie, ich habe noch nie in meinem Leben ein Geschäft gemacht, wie Sie eigentlich recht gut erraten haben müssten. Mein Gärtner macht mit den Blumen, was er für richtig hält, und ich stelle keine Fragen.«
»Ein paar Fragen würde ich ihm stellen, das kann ich Ihnen verspreche n !« sagte Miss Bordereau; und in diesem Augenblick hörte ich zum ersten Mal den seltsamen Klang ihres Lachens, das sich anhörte, als habe der immer noch schwach »umgehende« Geist ihres Tonfalls aus alten Tagen plötzlich einen Freudensprung gemacht. Ich konnte mich nur schwer an die Vorstellung gewöhnen, dass es hauptsächlich dieser Gedanke an den finanziellen Vorteil war, der die göttliche Juliana dazu bewegen konnte, aus sich herauszugehen.
»Kommen Sie doch selbst hinunter in den Garten und pflücken Sie sich Blumen; kommen Sie, so oft Sie wollen; kommen Sie jeden Tag. Die Blumen sind alle für Sie«, setzte ich zu Miss Tina gewandt nach, brachte diese ehrlich gemeinte Äußerung aber so vor, als handelte es sich um einen unschuldigen Scherz. »Ich kann gar nicht verstehen, warum sie nicht herunterkommt«, fügte ich an Miss Bordereau gerichtet hinzu.
»Sie müssen sich darum kümmern, dass sie hinuntergeht; Sie müssen hierher kommen und sie abholen«, sagte die alte Frau zu meiner Genugtuung. »Der seltsame Platz, den Sie in der Ecke eingerichtet haben, eignet sich ausgezeichnet für sie, dort kann sie sich hinsetzen.«
Die Anspielung auf den kunstvollsten meiner schattenspendenden Zufluchtsorte, eine Art »Gartenhaus«, war respektlos; es verfestigte meinen bereits zuvor gewonnenen Eindruck, dass in Miss Bordereaus Rede etwas Ungehöriges aufflackerte, ein fernes Echo jener Kühnheit oder Verwegenheit aus ihrer abenteuerlichen Jugendzeit, und diese schien gleichsam automatisch alle Leidenschaften und Geisteskräfte überlebt zu haben. Ungeachtet dessen fragte ich: »Wäre es nicht auch Ihnen möglich, in den Garten herunterzukomme n ? Würde es Ihnen nicht gut tun, dort im Schatten in der herrlichen Luft zu sitze n ?«
»Mein Herr, wenn ich mich von hier fortbewege, dann sicherlich nicht, um in der Luft zu sitzen, und ich befürchte, dass nichts, was mich dort umwehen könnte, besonders herrlich sein würd e ! Es wird vielmehr ein besonders dunkler Schatten sein. Aber so weit ist es noch nicht«, fuhr Miss Bordereau mit einer gewissen Verschlagenheit fort, als wollte sie alle Hoffnungen zerstreuen, die dieser freimütige Blick auf das letzte Behältnis ihrer sterblichen Überreste in mir geweckt haben mochte. »So manchen Tag habe ich hier gesessen und habe im Laufe meines Lebens genug Lauben erlebt. Aber ich fürchte mich nicht zu warten, bis ich abberufen werde.«
Miss
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