DIE ASSASSINE
einmal, ohne Frage im Tonfall.
»Ich habe ihn getötet«, schluchzte ich, die Worte zäh vor Schleim, beinahe unverständlich. »Ich habe ihn getötet … Ich habe ihn getötet … Ich habe ihn getötet.«
»Wen?« Erick hatte mir die Hand in den Nacken gelegt und mich auf seine Schulter gehoben. Ich schloss die Augen, hielt ihn fest und fühlte mich, als wäre ich wieder vierzehn.
»Blutmal«, schluchzte ich an seiner Schulter. »Und Carl.«
Er verharrte, doch seine Umarmung löste sich nicht.
Auf der Straße sog jemand scharf die Luft ein, und ich ruckte von Ericks Schulter weg und verdrängte die Tränen, als mir plötzlich bewusst wurde, dass ich meinen Dolch nicht mehr hatte. Er war klirrend auf die Straße gefallen, als wir zusammengeprallt waren, und lag ein Stück außer Reichweite.
Ein Gefühl der Verwundbarkeit erfasste mich, als Erick aufstand.
Zwanzig Schritte entfernt stand ein Mann am Rand einer Querstraße. Er trug einen Mantel mit zurückgeschlagener Kapuze. Ich konnte seine Züge im Mondlicht deutlich erkennen, die hochmütige Haltung, den entsetzten Ausdruck auf seinem Gesicht.
Der Händlersohn, Criss. Der Mann, gegen den ich in der Gasse am Kai gekämpft hatte, nachdem ich zum ersten Mal zu den Docks gekommen war.
Ich hatte seinen Freund getötet.
Und er hatte gehört, wie ich Erick erzählt hatte, dass ich Blutmal und Carl getötet hatte. Ich wusste es so genau, als wäre ich im Fluss gewesen und hätte es dort gerochen. Und dawar noch etwas – etwas, das zu erkennen ich einen Augenblick brauchte.
Criss erinnerte mich an den Händler mit dem senffarbenen Mantel; er war bloß jünger. Deshalb hatte der Händler so vertraut gewirkt, als er in der Gildenhalle mit Carl gesprochen hatte; deshalb war er mir in dieser Nacht so bekannt vorgekommen.
Criss musste der Sohn jenes Händlers sein.
Erick trat ein Stück vor, und Criss ergriff die Flucht. Seine Schritte hallten von der Außenmauer zurück, ehe sie verstummten.
Panik erfasste mich. Ich taumelte auf meinen Dolch zu, ergriff das blutige Heft mit einer Hand und wandte mich Erick zu. Meine Tränen waren getrocknet. Nur eine Leere in der Nähe meines Herzens blieb. Doch ich schob sie von mir und verhärtete mich gegen den Schmerz.
Ich war nicht mehr auf dem Siel, war nicht mehr vierzehn. Ich brauchte Erick nicht.
Einen langen Augenblick starrten wir uns an; dann sagte ich: »Du kannst mich nicht mehr beschützen.«
Und ich rannte los.
Ich duckte mich in die Straße, in der Criss verschwunden war und verdrängte Erick in den hintersten Winkel meiner Gedanken. Mit seinem erneuten Auftauchen würde ich mich später befassen; vorerst stellte Criss die Bedrohung dar. Er hatte mich gesehen, hatte mich sagen hören, dass ich Carl getötet hatte, und ich durfte in keiner Weise mit Carls Tod in Verbindung gebracht werden.
Ich sah eine huschende Bewegung weiter unten in der Straße, als jemand in eine Gasse bog, kaum mehr als das kurze Flackern eines Mantels. Ich bündelte alle Aufmerksamkeit, ließ rings um mich den Fluss entstehen, konnte auf der Straße aber niemanden erblicken. Mit geblähten Nasenflügeln stürmte ich die Gasse hinunter, bog um die Ecke und spähte suchend in die Dunkelheit.
Nichts.
Ich holte tief Luft, ging die Gerüche im Fluss durch. Doch da war nichts, was ich Criss zuordnen konnte. Ich konnte mich ohnehin nicht erinnern, dass er am Kai einen charakteristischen Geruch gehabt hatte, als ich seinen Freund getötet hatte. Nicht jeder besaß einen solchen Duft.
Doch ich wollte nicht aufgeben und suchte die Gasse ab, die zurückversetzten Türen, die Nischen. Sämtliche Türen waren verriegelt, und die Gasse endete an der Einmündung zu einer leeren Straße.
Verflucht!
Mich überkam die Angst, einem weiteren Gardisten über den Weg zu laufen. Und dann war da noch Erick.
Würde er die Garde losschicken, um mich zu suchen? Würde er die Wachen am Tor warnen? Er wusste, dass ich jemanden getötet hatte. Er hatte das Blut gesehen, hatte mein Geständnis gehört.
Abermals bohrten sich Schuldgefühle in meine Eingeweide, schnitten durch mein letztes Zögern.
Criss war entkommen. Ich würde mich später um ihn kümmern müssen.
Ich kehrte zum Tor zurück, näherte mich vorsichtig.
Die beiden Wachen versahen immer noch Dienst. Sie wirkten nicht aufmerksamer als früher in jener Nacht, als ich an ihnen vorbeigehuscht war.
Ich atmete vor Erleichterung auf und fragte mich, weshalb Erick sie nicht gewarnt hatte,
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