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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Ihr Haar – ungewöhnlich blondes Haar in der Farbe von Stroh – war ihr ins rundliche Gesicht gefallen. Sie trug einen dreckigen Rock, der ihr zu groß war und den sie um die Hüften mit einer Kordel verschnürt hatte. Ihre Mutter war genauso gekleidet. Beide trugen keine Schuhe, und ihre Füße waren schmutzig.
    Die Frau stand vorne auf der Decke. Ihr langes, ebenfalls strohblondes Haar war mit einem Riemen aus Rohleder zusammengebunden. Ihre Züge wirkten fremdartiger als die des Mädchens, und in ihren Augen lag ein verzweifelter Ausdruck. Nahe ihres linken Augenwinkels war ein blauer Tupfen auf die Haut gemalt, der wie eine Träne aussah. Mit beiden Händen hielt die Frau eine glasierte Schale und streckte sie in stummem Flehen der vorbeiziehenden Menge entgegen.
    Ich runzelte die Stirn. Die beiden Frauen stammten offensichtlich nicht aus Amenkor. Ich hatte von dem blauen Farbmal gehört. Es war die Träne des Taniece, von irgendeiner religiösen Sekte aus einer der nördlichen Küstenstädte.
    Ich schnaubte verächtlich. Amenkor brauchte keinen Gott – wir hatten die Regentin.
    Garrell starrte auf das Mädchen. Langsam kroch ein Lächeln über seine Züge.
    Irgendetwas traf mich wie ein Tropfen Flüssigkeit im Nacken und rann mir wie Schweiß über den Rücken. Ich hob die Hand, um es wegzuwischen, doch da war kein Schweiß, nur das Gefühl von Wasser auf meiner Haut.
    Argwohn keimte in mir auf. Forschend ließ ich den Blick über die Menge hinter mir schweifen. Unwillkürlich tauchte ich in den Fluss und spürte, wie die Übelkeit zurückkehrte, wie meine Beine schwächer wurden. Ich verzog das Gesicht und verharrte. Abermals spähte ich über die Menge hinweg, sah aber nichts.
    Dennoch war da irgendetwas. Ich konnte es fühlen.
    Dann loderte erneut das Feuer in meinem Innern empor, und ich wirbelte wieder in Garrells Richtung.
    Er war verschwunden.
    Ebenso das Mädchen.
    Das grüne Tuch lag verdreht neben der Decke.
    Einen Augenblick spürte ich nur das Feuer, hörte lediglich das Grunzen des Mannes, den ich als Ersten getötet hatte, während er an seiner Kleidung zerrte und seine Hand grob auf meine Brust drückte. Ich roch sein muffiges Hemd mit der herausgerissenen Stickerei des Geisterthrons, als er mein Gesicht gegen seine Schulter presste. Ich konnte nicht atmen, schmeckte den Schimmel im Stoff, als er mir in den Mund drang.
    Dann schlugen die Flammen über mir zusammen, und ich stürmte zur Gasse und zu der Mauerecke, an der Garrell gelehnt hatte und wo die Mutter des Mädchens soeben bemerkte, dass ihre Tochter verschwunden war. An der Gassenmündung hielt ich inne und stützte mich an der Wand ab. Wieder erfasste mich eine Woge der Übelkeit. Doch ich hatte keine Zeit für solche Schwächen.
    Ich holte ein paar Mal tief Luft und tauchte dann ein in die Tiefen der Gasse jenseits des Siels.
    Ich rannte. In die Schatten. In den vertrauten Gestank. Bald schon machte die Gasse eine Biegung, und ich verlangsamte die Schritte, während meine Augen sich den veränderten Lichtverhältnissen anpassten. Zu langsam, zu langsam. Vor mir war niemand, nur von Schimmel überwachsene Lehmziegel, ein schlammiges Rinnsal in der Mitte des Kopfsteinpflasters, eine Nische und weiter vorn eine Tür. Ich schlich die Gasse hinunter und hielt mich dicht an der Wand, während mein Puls rasend schnell ging. Das Feuer war verflacht, doch es sandte noch immer Ranken weißer Flammen in meine Arme. Ich spürte sie brennend im Blut und im heftigen Pochen meines Herzens.
    Während ich mich weiterbewegte, streckte ich einen Arm zur Mauer aus, um mich zu stützen, und kämpfte einen neuerlichenAnflug von Übelkeit nieder. Ich wollte schneller laufen, wagte es aber nicht. Garrell konnte überall sein.
    Die Nische erwies sich als leer. Die Tür war zugemauert, und die Ziegel bröckelten bereits.
    Zögernd drang ich weiter vor, bewegte mich auf die Schwärze eines Fensters und einer weiteren Nische zu.
    Als ich das Fenster erreichte, hinter dem eine so tiefe Dunkelheit herrschte, dass ich nichts erkennen konnte, vereinte sich das in mir schwelende Feuer jäh zu einer einzigen, heftig lodernden Flamme.
    Mein Magen krampfte sich zusammen, und ich schluckte in der plötzlichen Gewissheit, dass ich zu spät kam. Ich taumelte auf die Nische zu und verharrte zögernd an der Holztür.
    Ich drehte den Griff des Dolches, den zu ziehen ich nicht bedacht hatte, drückte mit einer Hand die Tür auf, trat fast lautlos ein und duckte mich

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