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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Abenddämmerung nahte, und ich hatte Garrell gefunden.

    Ich wartete in einem Eingang, von dem aus ich den Brunnen sehen konnte. Ich kam ungern hierher, was jedoch nicht an meiner zerlumpten Kleidung lag, sondern an meinen Erinnerungen.
    Ich schaute zu der zerbrochenen Brunnenfigur, die kaum mehr als ein Schemen in der Dunkelheit war, und spürte Sonnenlicht und Wasser im Gesicht, hörte Gelächter. Das Lachen meiner Mutter, sanft und kehlig, während sie mich mit Wasser bespritzte. Ich kicherte und spritzte zurück. Ich schmeckte Wasser im Mund, spürte die Kühle, als es mir in die Augen lief und den Hals hinunterrann.
    Hände hoben mich aus dem Brunnen. Ich hörte meine Mutter murmeln: Komm, für heute hattest du Spaß genug. Es wird Zeit, nach Hause zu gehen.
    Ich stieß die Erinnerung zornig beiseite. Sie bedeutete nichts, und sie war zu verschwommen. Ich war damals zu jung gewesen.
    »Hast du Garrell gefunden?«
    Erick stand am Rand des offenen, kopfsteingepflasterten Kreises, der den Brunnen umschloss. Als ich zu ihm hochschaute,verfinsterten sich seine erwartungsvollen Züge, und seine Haltung veränderte sich, wurde bedrohlicher.
    »Was ist denn?«
    Seine Blicke schweiften hinter mich, strichen prüfend durch die Gasse, über die Nischen, die Türen und richteten sich dann wieder auf mich. Er runzelte die Stirn.
    Die Übelkeit kehrte zurück, als ich seine Blicke spürte, und ich drehte mich weg.
    »Ich habe ihn gefunden«, sagte ich.
    Ich führte Erick durch die Dunkelheit zu der Gasse zurück. Obwohl ich mich nicht umschaute, konnte ich spüren, dass er mir wachsam folgte, die Hand nahe am Dolch.
    Zehn Schritte vom Leichnam entfernt blieb ich stehen und sank an der Wand herab in eine unbequeme, kauernde Haltung. Hinter mir hielt Erick einen Augenblick in der Dunkelheit inne; dann schob er sich an mir vorbei. Kurz kam seine Hand auf meinem Kopf zu liegen. Die Berührung war sanft und beruhigend, und ich spürte, wie meine Brust sich zusammenzog. Wieder brannten mir die Augen.
    Ich beugte mich vor, zog die Knie an die Brust.
    Erick kniete sich neben Garrell. Es dauerte ein ganze Weile, ehe er wieder aufstand.
    »Hast du das getan?«, fragte er. In seiner Stimme schwang keine Gefühlsregung mit, und er drehte sich nicht zu mir um.
    Ehe ich antworten konnte, spie jemand anders hervor: »Sie hat ihn umgebracht! Ich hab sie gesehen.«
    Ruckartig schaute ich auf. Meine Hand zuckte zum Dolch.
    Erick zeigte kaum eine Regung, wandte sich nur der Stimme zu. »Komm her«, sagte er in hartem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
    Weiter unten in der Gasse löste sich ein Schatten von der Mauer, setzte sich zögerlich in Bewegung und hielt sich in der Dunkelheit, um verborgen zu bleiben, doch als die Gestalt näher kam, schien sie an Selbstvertrauen zu gewinnen. Bald war sienahe genug, dass ich erkennen konnte, wer es war. Er richtete sich auf. Seine Miene war argwöhnisch, sein Kinn entschlossen vorgereckt.
    Erick trat auf ihn zu. »Wer bist du?«
    »Das ist Blutmal«, sagte ich mit hassgetränkter Stimme.
    Beide Männer wandten sich mir zu, Erick mit gerunzelter Stirn, Blutmal mit einem verächtlichen Hohnlächeln.
    »Ist das dein Name?«, fragte Erick.
    Das spöttische Grinsen Blutmals verblasste. »Ist so gut wie jeder andere.«
    Erick nickte, als hätte er mit einer solchen Antwort gerechnet.
    Dann schien er Blutmal völlig aus den Gedanken zu streichen und wandte sich mir zu.
    »Komm her«, forderte er mich auf.
    Ich zögerte, denn ich wusste nicht, was Erick vorhatte. Doch dank der Ausbildung war ich mittlerweile daran gewöhnt, seine Befehle zu befolgen, und ich vertraute ihm.
    Ich trat vor, bis ich neben Erick vor Garrells Leichnam stand.
    Blutmal ließ sich kaum zehn Schritte entfernt in eine geduckte Haltung sinken, doch ich nahm ihn kaum wahr.
    Wie zuvor starrte ich in Garrells Gesicht. Doch nun waren all mein Hass und meine Wut verflogen. Ich empfand nur noch ein schwaches Gefühl der Scham.
    Erick beugte sich so nahe zu mir heran, dass sein Atem mich im Nacken kitzelte.
    »Kennzeichne ihn«, murmelte er.
    Ich zuckte zusammen und wollte entsetzt zurückweichen, doch Erick hielt mich fest, drückte mir die Hand in den Rücken und schob mich wieder nach vorn.
    »Nein«, stieß ich hervor und schüttelte den Kopf.
    »Warum nicht? Du hast ihn getötet, oder?« Seine Stimme war immer noch leise, jedoch härter und eindringlicher als zuvor.
    »Ja, ich hab gesehen, wie sie ihn umgebracht hat«, warf Blutmal

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