DIE ASSASSINE
augenblicklich tief nach einer Seite. Ich roch den Schimmel der verrottenden Tür – ein Geruch, der überlagert wurde von einem durchdringenden, metallischen Gestank, den ich kannte.
Ich wartete, bis die Dunkelheit sich in verschwommene Umrisse verwandelte. Bröckelnde Mauern, ein weiteres Fenster, eine zweite Tür. Ein zerbrochener Tisch und ein zerschmetterter Stuhl. Ein Körper.
Ich bewegte mich vorwärts.
Das Mädchen lag auf dem Rücken. Der zu lange Rock war bis zu den Achselhöhlen hochgeschoben, die Arme über den Kopf gezogen und im Tod erschlafft. Die Beine waren gespreizt. Die Haut war gespenstisch blass, sah man vom Schwarz des Blutes ab, das aus der Messerwunde in der Brust rann.
Ich stand über ihr, starrte in ihre toten Augen, die sich schimmernd von der stumpfen Blässe ihres Gesichts abhoben. Auf ihren Wangen war noch die Nässe von Tränen zu sehen.
Wieder dachte ich an den ersten Mann, den ich getötet hatte, an seine Hand, die grob auf meine Brust drückte. Ich tateinen langen, zittrigen Atemzug. Tränen verschleierten mir die Sicht.
Ich hatte zu lange gebraucht, hatte mich zu langsam bewegt.
Das Feuer in mir war erloschen. An seiner Stelle verspürte ich heiße Wut, so wie damals, als ich über dem Leichnam des Mannes gekniet und ihm bebend vor Hass ins Gesicht gespuckt hatte.
Ich wandte mich der zweiten Tür zu, bewegte mich darauf zu, ohne nachzudenken. Es bedurfte keiner Gedanken. Vor Zorn knirschte ich mit den Zähnen. Ich spürte meine Wut bis in die Hand hinein, die den Dolchgriff hielt.
Die Tür öffnete sich zu einer Mauer; dahinter führte eine Gasse nach links und rechts. Es war unmöglich zu erkennen, welche Richtung Garrell eingeschlagen hatte.
Ich drückte mich in den Fluss – tief, ganz tief.
Sofort stieg mir brennend Galle in die Kehle. Ich kippte zu Boden, stürzte auf Hände und Knie und krümmte mich, als ich mich würgend übergab. Die Welt aus Grau und Rot und Wind verschwand fast augenblicklich wieder.
Aber erst, nachdem ich den Gestank von ranziger Butter, Harn und Blut gewittert hatte. Er kam von links.
Ich spuckte das letzte Erbrochene aus, kämpfte mich auf die Beine, wischte mir den Mund ab und bewegte mich mit stolpernden Schritten nach links. Meine Knie zitterten, und ein Krampf schoss durch eine Wade.
Nach zwanzig Schritten die Gasse entlang, vorbei an einer scharfen Kehre, erblickte ich Garrell. Er hatte mir den Rücken zugekehrt und entfernte sich langsam von mir.
Geräuschlos holte ich ihn ein und tippte ihm auf die Schulter.
Er zuckte leicht zusammen und drehte sich um. Auf seinem Gesicht lag noch immer das träge Grinsen, nur wirkte es jetzt satter, zufriedener. Befriedigt. Und aus der Nähe sah ich nun auch, dass dieses Lächeln auch seine Augen erreichte.
Er war noch immer bei dem Mädchen. Ich konnte es in seinen Augen sehen. Dunkelbraune Augen.
Ich schob ihm den Dolch zwischen die Rippen. Die Bewegung fühlte sich langsam und bedächtig an, doch sie vollzog sich binnen eines Herzschlags. Ich drückte die Klinge tief in sein Fleisch, riss sie heraus und wich zurück, aus seiner Reichweite.
Sein Herz hatte ich verfehlt – absichtlich.
Die Augen weit aufgerissen, taumelte er nach hinten. Nun war er nicht mehr bei dem Mädchen. Seine Hände tasteten nach den Mauern der Gasse. Er stolperte, rang nach Atem. Blut quoll mit einem rauen, erstickten Husten aus seinem Mund. Eine Hand an der Mauer, kippte er nach hinten. Sein Rücken prallte gegen die Lehmziegel; dann klatschte auch seine freie Hand schlaff gegen die Mauer.
Die Beine gaben unter ihm nach, und er rutschte zur Seite, schlitterte mit dem Rücken die Ziegel hinunter.
Ich trat vor und kniete mich neben ihn. Er atmete qualvoll durch Blut, Spucke und Rotz hindurch. Auch an der Stelle, an der ich zugestochen hatte, drang Blut aus seinem Körper, breitete sich auf seiner Kleidung aus.
Er versuchte, einen Arm zu heben und nach mir zu greifen. Nun lag Zorn in seinen Augen, und sein Mund verzerrte sich. Sein Atem ging in abgehackten Stößen.
»Stirb, Dreckskerl«, murmelte ich.
Und das tat er. Bei seinem letzten Atemzug entstand eine Blutblase vor seinen Lippen.
Es dauerte nur einen Lidschlag, bis sie platzte.
Ich starrte in Garrells vom Tod glasige Augen. Ein Frösteln durchrieselte mich. Es war kein Schauder der Erschöpfung, weil ich mich des Flusses bedient hatte, und es war auch keine Übelkeit. Dieser Schauder kitzelte meine Haut und trieb mir heiße Tränen in die Augen.
Ich
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