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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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begegneten sich. Irgendetwas, das er in meinen Augen sah, ließ ihn erneut einen Schritt zurückweichen.
    »Nein«, sagte ich, holte tief Luft und riss mich zusammen. »Nein, ich habe dich nicht gehört.«
    Er zögerte, als er den Zorn in meiner Stimme und meinen schroffen Tonfall hörte. Nach einem langen, lastenden Augenblick des Schweigens meinte er: »Also hast du sie gefunden.«
    »Ja.«
    Er nickte. »Bring mich zu ihnen.«
    Damit drehte er sich um und ging in Richtung der Tiefen des Siels.
    Ich straffte die Schultern. »Nein.«
    Erick blieb stehen.
    Als er sich zu mir umdrehte, war seine Miene ausdruckslos geworden. »Was soll das heißen?«
    Ich verengte die Augen, verlagerte unsicher das Gewicht. »Nicht, ehe wir geredet haben.«
    Ein Anflug von Erstaunen huschte über seine Züge. Dann wurde seine Miene wieder ausdruckslos. »Warum jetzt?«
    »Weil die Dinge sich geändert haben«, gab ich zurück, ohne groß darüber nachzudenken. Erst dann wurde mir klar, dass ich die Wahrheit gesagt hatte. Nicht, weil noch immer das Gefühl in mir brannte, verraten worden zu sein; auch nicht wegen des vermischten Grau und Rot des Flusses.
    Ich holte tief Luft und sagte: »Ich bin nicht mehr das Mädchen, dass du kotzend über der Leiche dieses Mannes gefunden hast.«
    Erick schien mich zum ersten Mal richtig anzusehen, hier am Rand des Nymphenbrunnens, in den Kleidern, die er mir gegeben hatte – abgetragen und ausgefranst, jedoch keine Lumpen. Ich lief nicht mehr geduckt herum, zuckte nicht mehr zusammen, wenn jemand die Hand nach mir ausstreckte, hielt mich bei der Jagd nicht mehr nur in den Schatten. Ich lief mittlerweile in der Mitte der Straßen und Gassen, mitten auf dem Siel. Mein Kopf reichte Erick nun bis zu den Schultern, nicht mehr nur bis zur Brust.
    »Nein«, sagte er, »das kleine Mädchen von damals bist du nicht mehr.«
    Eine Zeit lang starrten wir einander stumm an, und die Hitze meines Zorns verflog.
    »Also gut«, sagte Erick schließlich. »Worüber willst du reden?«
    »Über die Regentin.«
    Erick runzelte die Stirn. »Was ist mit ihr?«
    »Du hast gesagt, dass sie die Opfer auswählt, während du sie nur suchst und tötest. Das ist deine Aufgabe, dafür wurdest du ausgebildet.«
    Erick nickte. »Ja.«
    »Fragst du dich nie, was die Opfer getan haben?«
    »Nein. Das habe ich dir schon einmal gesagt. Ich brauche es nicht zu wissen. Die Regentin will ihren Tod, nur das zählt.«
    »Und wenn sie sich irrt?«
    Erick schüttelte den Kopf. »Sie kann sich nicht irren. Sie sitzt auf dem Geisterthron.«
    »Aber …«
    »Nein«, schnitt Erick mir mit Nachdruck das Wort ab. Doch aus seinen Augen sprachen Zweifel. »Sie kann sich nicht irren. Zu behaupten, sie irre sich, ist so, als würde man behaupten, der Geisterthron würde sich irren. Die beiden sind eins. Wenn die Regentin sich irrt, dann …«
    Plötzlich verstummte er, und ein Anflug von Furcht huschte über sein Gesicht – eine Furcht, die er rasch unterdrückte und die nicht neu war, ebenso wenig wie seine Zweifel. Ich hatte beides schon einmal gesehen – in seinen Augen, als er Blutmal gewähren ließ, und später erneut an der Brücke, die nach Amenkor führte.
    »Nein«, wiederholte er. »Die Regentin irrt sich nie. Die Opfer haben den Tod verdient.«
    »Warum?«
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte er ungeduldig, ohne mich anzusehen. »Ich kenne keine Hintergründe. Ich glaube an dieRegentin. Ich habe Vertrauen in den Geisterthron. Es gibt stets einen Grund, weshalb ein Opfer sterben muss, und diesen Grund braucht nur die Regentin zu kennen. Ich nicht. So wichtig bin ich nicht.«
    Die Zweifel, die ich einen Lidschlag zuvor in seinen Augen gesehen hatte, schlichen sich in seine Stimme. Und ich hörte die Lüge. Er hatte sehr wohl darüber nachgedacht, zumindest in letzter Zeit.
    Sein Vertrauen in die Regentin, in den Geisterthron, wankte.
    Ich zögerte. Dann sagte ich leise: »Mari ist kein Opfer.«
    Scharf sah er mich an. »Warum nicht? Was weißt du?«
    Fast wäre mir herausgerutscht: Sie ist grau. Aber ich fing mich noch rechtzeitig. »Ich habe sie beobachtet.« Ich sah vor mir, wie Rec ihr mit dem Messer über die Wange fuhr, sah, wie sie zusammensank und ihre Arme erschlafften.
    Erick verengte die Augen zu Schlitzen. »Die Regentin …«, begann er, ließ den Satz jedoch unbeendet. Nachdenklich starrte er mich an; dann straffte er die Schultern. »Zeig sie mir.«

    Wir sprachen auf dem Weg in die Tiefen des Siels nicht miteinander. Ich ging

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