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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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voraus, bewegte mich schnell, versteckte mich nicht, sondern lief zielstrebig. Erick folgte mir, wobei er mir einmal zuzischte, ich solle meine Schritte verlangsamen. Dann aber schien er mein Gefühl der Dringlichkeit zu spüren und schritt nun seinerseits so schnell aus, dass ich ihn im Rücken spürte – so nah, dass er die Hand ausstrecken, mich berühren und voranstoßen konnte.
    Doch ich hatte das Gefühl, als würde ich bereits vorangestoßen. Ich hatte es gespürt, kaum dass wir den Nymphenbrunnen verlassen hatten. Es war wie ein Druck in meinem Rücken, der mir die Schultern verspannte und meine Haut kribbeln ließ.
    Und so lief ich schneller. Bis die Nachtluft in meinen Lungenbrannte, rau und kalt, so kalt wie in der Nacht des Weißen Feuers. Scharf und durchdringend. Ich hörte Erick hinter mir heftig atmen und keuchen, so schnell schritten wir aus.
    Der Druck ließ nicht nach, sondern wuchs.
    Wir waren nah, ganz nah, als die vereiste Hand heftig gegen meine Brust drückte. Dann hörte ich den ersten Schrei, den Schrei einer Frau. Schrill und voller Entsetzen, aber auch voller verzweifelter Entschlossenheit, als setzte sie sich gegen etwas zur Wehr, als kämpfte sie verbissen.
    Jäh hielt ich inne. Erick kam stolpernd hinter mir zum Stehen und drückte mir eine Hand auf die Schulter, um sich abzustützen. Seine Hand fühlte sich gespenstisch echt an im Vergleich zu dem eisigen Druck der Hand auf meiner Brust.
    »Bei den Göttern!«, stieß er hervor und holte tief Luft. »Woher kommen diese Schreie?«
    Ich antwortete nicht. Ich wusste es.
    Ich stürmte los, nahm kaum wahr, dass Erick dicht hinter mir blieb. Die Schreie erfüllten die Luft und wurden schriller; dann verebbten sie, wenngleich sie noch immer durchdringend und verzweifelt waren. Schließlich wurden sie zu einem Schluchzen.
    Ich erreichte die Tür, hatte die bunten Fliesen unter den Füßen.
    Ich gelangte zum inneren Raum.
    Am Eingang hielt ich inne, stützte mich am Türrand ab. Rec lag halb neben der blutdurchtränkten Liegestatt. Sein Körper war verrenkt; eine Hand hielt er vor sich ausgestreckt, als würde er nach etwas greifen. Der verschüttete Eintopf bildete eine glitzernde Lache in der Mitte des Raumes. Zwei Gestalten rangen auf der fernen Seite des Feuers miteinander – Blutmal und Mari. Das alles erfasste ich binnen eines Herzschlags.
    Erick bewegte sich schattenschnell.
    Blutmal hielt Maris Handgelenke fest, eines mit jeder Hand, eines lose, weil er noch seinen Dolch umklammerte. Mari wehrtesich, doch auf ihrer Brust schimmerte bereits Blut, das aus einem tiefen Schnitt an der Seite drang und aus einer weiteren Wunde nahe dem Hals, dicht über der Brust. Ihre Arme wirkten kraftlos, und sie schluchzte und warf den Kopf hin und her.
    Blutmal knurrte, ließ Mari mit der Hand los, die den Dolch hielt, und stieß ihr die Klinge zwei weitere Male in die Brust. Tief und todbringend. Jedem Stich folgte ein kehliges Grunzen. Speichel sprühte ihm von den Lippen und den zusammengebissenen Zähnen.
    Dann prallte Erick mit voller Wucht gegen ihn. So heftig, dass beide an Mari vorbeiflogen, auf den Granitboden prallten und weiterrollten. Blutmal riss die Augen vor Entsetzen weit auf und fuchtelte wild mit dem Arm, hieb mit dem Dolch nach Ericks Rücken. Erick stieß ihn von sich und wich kriechend zurück, während Blutmal in eine geduckte Haltung hochfederte wie eine Viper. Er schien sich rasch erholt zu haben.
    Erick lag auf der Seite, wachsam und sprungbereit. Blutmal stand drei Schritte entfernt in geduckter Haltung, heftig atmend, die dunklen Augen auf Erick gerichtet. Das Entsetzen war aus seinen Zügen verschwunden.
    Mari keuchte. Es war ein Übelkeit erregender, nasser Laut. Ihre Arme waren kraftlos herabgesunken.
    Als ich hinsah, versuchte sie, sich herumzurollen und sich matt auf die Seite hochzustemmen, sodass sie mir das Gesicht zuwandte, während sie Erick und Blutmal den Rücken kehrte. Ihr Blick begegnete dem meinen.
    Sie schluchzte, erschauderte, krümmte sich nach vorn und zog die Hand nahe ans Gesicht, wobei sie über den Boden schleifte, durch ihr eigenes Blut, und dann schlaff herunterfiel.
    Kurz hielt sie inne, sammelte mit einem Atemzug Kraft und versuchte, sich aufzurappeln.
    Ich beobachtete, wie sie vor Anstrengung die Augen schloss, wie sie die Zähne zusammenbiss, wie ihre Muskeln sich spannten, wie ihr Schweißperlen übers Gesicht rannen, wie sie dieAugen noch fester zusammenpresste, wie ihre Nackenmuskeln

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