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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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drohte zu ersticken; ich konnte nicht richtig atmen, wollte gar keinen weiteren Atemzug mehr tun. Ich spürte eine gähnende Leere in mir, ein entsetzliches Nichts, das alles in mir für sich beanspruchte, alles in meiner Brust, meinen Armen, meinen Beinen. Eine Leere, die mich zerbrechlich, verwundbar, verlassen und mutterseelenallein zurückließ.
    Eine Leere, die mich zermalmte.
    Und plötzlich verstand ich den Ausdruck im Gesicht der Frau, als ich ihr das tote Mädchen übergeben hatte. Plötzlich verstand ich diesen Schmerz.
    Der Gedanke ließ mich den Kopf anheben. Mein Schluchzen verebbte.
    Ich hatte Garrell getötet. Mit einem Stich in die Brust, nahe dem Herzen.
    Meine Augen verengten sich. Der Stein des Hasses unter meinem Brustbein pulsierte; er drückte nach außen, vertrieb die Tränen, füllte die Leere in mir.
    Nur das kalte Brennen der Hand blieb, die gegen meine Brust drückte.
    Ich löste mich aus meiner zusammengekrümmten Haltung und stand auf. Den Dolch hatte ich bereits gezückt.
    Ich hatte ein neues Opfer.
    Mit raschen Schritten setzte ich mich in Bewegung. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt, meine Sinne hellwach. Ich glitt lautlos von Schatten zu Schatten. Alles, was ich auf dem Siel über Verstohlenheit und Geräuschlosigkeit gelernt hatte, alles, was ich von Tauber und seiner Straßenbande wusste, alles, was Erick mir beigebracht hatte, kam nun zum Einsatz.
    Zehn Minuten später duckte ich mich gegenüber der Tür des mehlweißen Mannes. Sie stand einen Spalt offen. Öllicht drang heraus.
    Die vereiste Hand brannte immer noch auf meiner Brust, ließ meine Finger immer noch kribbeln. Doch ihre Wirkung war schwächer geworden. Ich spürte sie kaum noch.
    Ich spähte den Siel in beide Richtungen hinab, sah aber niemanden.
    Langsam, leise überquerte ich die Straße und kauerte mich neben die Tür des mehlweißen Mannes, streckte die Hand aus und schob sie weiter auf. Die Tür knarrte, ehe sie zum Stillstand kam.
    Ein Schwall Hitze schlug mir aus dem Innern entgegen, begleitet vom Geruch nach Hefe, Teig und Blut.
    Etwas krallte an meiner Kehle, wild und wütend, doch ich drängte es zurück, zermalmte es mit dem Stein in meiner Brust.
    Durch die Tür konnte ich die Klappe eines Ofens erkennen, in dem Flammen loderten. Über einem langen Tisch, um den ein paar Stühle standen, hing eine Öllampe. Auf dem Tisch sah ich Klumpen aufgehenden Teigs, einen Krug Milch und einen Sack Mehl. Ein weiterer Mehlsack lag aufgebrochen auf dem Boden und bildete einen weißen Fächer auf dem Naturstein. Spuren verunstalteten das Weiß. Weiter hinten im Raum, nahe des Tisches, lag die lange Brotkelle, die ich in den Händen der schwarzhaarigen Frau gesehen hatte, als ich zuletzt hier gewesen war. Auch die Kelle lag auf dem Boden. Der Laib frischen Brotes, der darauf gelegen hatte, war ein Stück über den Boden gerollt.
    Und am Rand der Tür, gerade noch in meinem Sichtfeld, sah ich eine Hand, die Handfläche nach oben, die Finger leicht gekrümmt. Eine Frauenhand.
    Ich schluckte, spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Mit einem raschen Schritt war ich durch die Tür und duckte mich. Den beiden Leichen schenkte ich keine Beachtung – ich zwang mich, ihnen keine Beachtung zu schenken –, ließ stattdessen den Blick suchend durch den Raum wandern. Niemand zu sehen. Ich huschte zur Innentür, betrat die Dunkelheit dahinter, überprüfte die inneren Räume.
    Blutmal war nicht hier.
    Ich kehrte in den äußeren Raum zurück und kniete mich neben den mehlweißen Mann. Ich wischte ihm die grauen, mehlgesprenkelten Haare aus der Stirn, ließ meine Finger über seine Wange wandern, hielt am Kiefer inne. Ich blickte ihm in die Augen, sah, wie ihr Blick damals am Siel sanft wurde, ebenso wie hier in der Nische seiner Tür, und hörte ihn sagen: Du bist gewachsen.
    Ich nahm sein Gesicht in die Hände und beugte mich über ihn, bis meine Stirn die seine berührte.
    Dann setzte ich mich zurück.
    Blutmal hatte ihm in die Brust gestochen, ebenso der schwarzhaarigen Frau. Dem mehlweißen Mann hatte er obendrein ein Zerrbild des Geisterthrons ins Fleisch geschnitten – drei lange, tiefe Schnitte.
    Ich starrte auf die blutigen Wunden und spürte, wie mein Inneres sich noch mehr verhärtete.
    Ich stand auf, ging in die hinteren Räume und kehrte mit zwei Decken zurück. Eine breitete ich über die schwarzhaarige Frau aus, die andere über den mehlweißen Mann.
    Dann glitt ich hinaus in die Dunkelheit und schloss

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