Die Assistentin
vorausgesagt hast.”
“Gott sei Dank.”
“Versprichst du mir, nicht zu lachen?” Sie wollte mit ihm reden. Sie wollte ihm von sich erzählen, so wie sie es bei keinem anderen Menschen außer ihrem Vater und Darwin konnte. “Ich habe die ganze Zeit gedacht, ich wäre frigide. Und das wäre ja auch logisch, wenn man bedenkt, was ich in der Lodge alles erlebt habe.”
“Du bist nicht frigide”, sagte er und führte ihre Hand an die Lippen. “Das würde ich auf die Bibel schwören und vor Gott bezeugen.”
“Danke, aber das ist nicht nötig. Ich glaube es dir auch so.” Ihre Stimme war weicher geworden, seit er ihre Fingerspitzen küsste. “Ich habe mich sogar ein bisschen als Schlampe versucht, habe mit ein paar Jungs im College rumgeknutscht und versucht, das Knistern zu spüren. Aber mehr als Rumknutschen war nicht drin, und das war nichts für mich. Meine erste richtige Affäre hatte ich mit diesem Professor. Er hatte mich eingestellt, damit ich ihm half, seinen Alltag zu organisieren. Es war nett, aber auch nicht wirklich berauschend.”
“Hörst du deswegen immer so melancholische Musik?”
Sie schnappte leise nach Luft. “Woher weißt du das?”
“An dem Abend, an dem ich in dein Büro gekommen bin, hast du ‘Everybody Hurts’ gehört. Ich dachte, es ginge um irgendeinen Kerl.”
“Ich war traurig, weil da
kein
Kerl war”, sagte sie. “Wahrscheinlich bin ich ziemlich verschlossen geworden, seit mein Vater gestorben ist. Aber diese Musik berührt mich. Sie erinnert mich daran, was ich fühlen sollte.”
“Dein Vater hatte ein schwaches Herz, war es nicht so?”
Sie hatte keine Ahnung, woher er das wusste. Oder war es damals bei ihrer Gerichtsverhandlung zur Sprache gekommen? “Er ist gestorben, kurz nachdem ich weggelaufen bin, um bei meiner Schwester zu leben. Ich fühle mich immer noch schlecht, weil ich nicht bei ihm war, als er starb. Er wusste schon seit langer Zeit, dass er sterben würde, und ich wusste es auch. Um mir zu helfen, damit fertig zu werden, hat er mir immer ein Gedicht vorgelesen.”
Sie dachte nach und versuchte, sich an die Worte zu erinnern. “Halte fest, was gut ist, selbst wenn es eine Handvoll Erde ist. Halte fest, an was du glaubst, selbst wenn es ein Baum ist, der allein steht. Halte fest an dem, was du tun musst, selbst wenn es noch ein weiter Weg ist. Halte fest an deinem Leben, selbst wenn es einfacher ist, es loszulassen. Halte meine Hand fest, auch wenn ich dich eines Tages verlasse.”
Sie hörte Ricks Atem. Schließlich sagte er: “An dem Abend, bevor er starb, kam Ned zu mir und hat mich um Hilfe gebeten. Ich habe ihn fortgeschickt.”
Sie wollte sagen:
Dieses Mal kannst du da sein, für mich. Für dich selbst. Du hast die Wahl. Wir beide haben die Wahl.
Doch in ihren Ohren hörte sich das zu aufdringlich an. Was immer sie verband, es war nicht mehr als ein dünner Faden, der bei der geringsten Belastung reißen würde. Also stellte sie ihm stattdessen Fragen über seine Familie. Sie wusste nichts über sein Privatleben, außer dem, was Darwin über ihn herausgefunden hatte.
“Meine Eltern waren schon älter, als sie mich bekamen”, erzählte er. “Inzwischen sind sie über achtzig. Ich will sie nicht beunruhigen, also habe ich ihnen nichts von der Diagnose gesagt. Sie werden es schon noch früh genug erfahren.”
“Gibt es nur deine Mom und deinen Dad?”
“Ich habe eine Schwester, die zwanzig Jahre älter ist. Sie ist verheiratet, hat keine Kinder und lebt im Valley, in der Nähe meiner Eltern. Sie war bereits von zu Hause ausgezogen, als ich zur Welt kam. Wir standen uns nie nahe.”
Lane konnte verstehen, dass er so ein schwieriges Gespräch mit seinen Eltern vermeiden wollte, aber sie mit seinem Tod zu überraschen, war grausam. “Vielleicht ahnen sie es. Schließlich ist es eine Erbkrankheit.”
“Sie bricht aber nur sehr selten aus. Ich wüsste nicht, dass irgendjemand aus der Familie daran gestorben ist.”
“Trotzdem – sie müssen die Möglichkeit haben, sich darauf vorzubereiten. Und wie ist es mit dir? Bist du darauf vorbereitet?”
“Wie kann man sich
darauf
vorbereiten? Weißt
du
das?”
Er klang abweisend, möglicherweise sogar verärgert. Das sagte ihr, dass er noch nicht bereit war. Er wollte ja noch nicht einmal darüber reden. Manche Menschen kamen nie bis zu diesem Punkt.
“Nein, ich wollte nur … Hast du wirklich gut darüber nachgedacht, ob du mit ihnen reden willst oder nicht? Es kann sein, dass du
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