Die Assistentin
Idee, in einer Stadt spazieren zu gehen, in der man die Luft, die man einatmete,
sehen
konnte. Noch schlimmer jedoch war die Hitze. Außerdem kostete sie der Spaziergang ein Vermögen. So nah an ihrer Agentur zu wohnen, dass sie in der Tat zu Fuß gehen konnte, war nicht gerade ein billiges Vergnügen.
Wer hätte gedacht, dass ich jemals ein Vermögen haben werde, das ich ausgeben kann.
Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte sie gar nichts besessen, weder einen Penny noch ein Zuhause. Ihren Schulabschluss hatte sie im Jugendgefängnis gemacht und später mithilfe eines Stipendiums studiert. Sie hatte unzählige Nebenjobs gehabt, und bei einem davon hatte sie einem Professor geholfen. Dieser hatte einen Überraschungsbestseller geschrieben und brauchte dringend jemanden, der sein Leben für ihn organisierte. Er war von Lanes Arbeit so begeistert, dass er sie an seinen Rechtsanwalt weiterempfahl, und dieser vermittelte ihr weitere Kunden. So hatte es angefangen. Der Rest war eine Kettenreaktion. Eines Tages hatte sie Darwin mit an Bord geholt, obwohl er sich mit Händen und Füßen gesträubt hatte. Er hatte gerade seinen verrückten “elektronischen Bodyguard”, wie er sein Handy damals nannte, entwickelt. Und endlich, nach zwei Jahren harter und mühevoller Arbeit, zog sie den ersten richtig großen Kunden an Land. Er verschaffte ihr den Zugang zu weiteren Kunden, und der Rubel begann zu rollen.
Seitdem hatte sie nicht aufgehört, in Bewegung zu bleiben.
Rick Bayless beobachtete, wie Detective Mimi Parsons einen riesigen Bissen von ihrem Sandwich nahm, gedankenverloren kaute und dann alles mit einem Schluck Milch aus einem Tetrapack herunterspülte, den sie aus der Kantine mitgebracht hatte. Ihr Blick klebte förmlich an der Zeitung vor ihr. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, obwohl er keine zwei Meter von ihr entfernt in dem ansonsten leeren Großraumbüro stand.
Alle sind zum Lunch abgetaucht, dachte Rick. Vor allem sie.
Immerhin stand sie nicht auf gesunde Ernährung wie der Rest von Kalifornien. Vor ihr lagen, als zweiter und dritter Gang, eine Tüte Kartoffelchips und Schokoladenkekse. Auch ihre Lektüre war alles andere als anspruchsvoll. Rick sah den Artikel nur über Kopf, trotzdem konnte er erkennen, dass es darin um eine transsexuelle Gefängnisinsassin ging, die angeblich ein pelziges Baby zur Welt gebracht hatte.
Sie hat sich nicht sehr verändert, dachte er und lächelte in sich hinein. Mimi war immer noch eine ziemlich Chaotin. Ihr Schreibtisch war mit Bergen von Akten zugebaut, mit unfertigen Berichten und unbearbeitetem Recherchematerial. Die Jacke ihres Blazers war zerknittert und viel zu groß für ihre zierliche Gestalt. Das erkannte er, auch ohne ein Experte in Sachen Mode zu sein. Doch am auffälligsten war, dass sie für nichts anderes empfänglich war, außer für die Tätigkeit, mit der sie sich gerade beschäftigte. Als sie Partner gewesen waren, hatte ihre eifrige, ans Voyeuristische grenzende Aufmerksamkeit sie zu einer hervorragenden Ermittlerin gemacht.
Am Empfang hatte Rick nach Don Cooper gefragt und erfahren, dass er an das Police Department von Palos Verdes Estates ausgeliehen worden war. Rick vermutete, dass das eine durchaus angemessene Strafe für seine Geschwätzigkeit war. Da draußen war es schon ein großer Fall, wenn ein paar wilde Eichhörnchen den Golfplatz überfielen. Gelegentlich mussten die von den älteren Herrschaften versehentlich vertauschten Rollatoren zu ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgebracht werden.
Rick hatte sich noch etwas länger mit dem Beamten am Empfang unterhalten und herausgefunden, dass Mimi am Rande mit dem Ned-Talbert-Fall zu tun hatte. Anschließend hatte er sich mit einer List hier hereingeschlichen, um sie zu überraschen. Vor fünfzehn Jahren hatten sie bei der Sitte zusammengearbeitet. Ungefähr ein Jahr, nachdem er ausgestiegen war – zum Teil, weil er ein paar zu kritische Bemerkungen über das Jugendstrafsystem gemacht hatte –, hatte Mimi ihn angerufen und ihm erzählt, dass sie zur Mordkommission gewechselt war. Sie war schließlich hierher zur West Side versetzt worden. Seitdem gehörte sie fest zum Team.
Rick war ihr dabei behilflich gewesen, diesen Job zu bekommen. Mimi wollte raus aus dem Sumpf, aus Downtown L.A., und er hatte ein paar Fäden gezogen. Sie schuldete ihm also noch einen Gefallen, auch wenn sie das nie zugeben würde. Ihre Beziehung war immer von einer Art Hassliebe geprägt gewesen. Sie waren nie
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