Die Assistentin
es nicht. Ich wünschte bloß, ich hätte Ned zugehört.”
Sie machte sich eine Notiz auf ihrem Schreiblock, die sie vermutlich nie wiederfinden würde, so vollgekritzelt wie die Seite war. “Vielleicht finde ich etwas über Lane Chandler oder Lucy Cox heraus. Wegen der alten Zeiten, und weil es mich selbst interessiert. Ich schulde dir keinen Gefallen. Nicht, dass du so etwas denkst.”
“Danke”, sagte er mit ausdruckslosem Gesicht. Er ließ sie nicht wissen, dass ihm das Atmen plötzlich leichterfiel. Er blieb vor ihrem Schreibtisch stehen, unschlüssig, wie er den nächsten Punkt ansprechen sollte.
Sie riss die Chipstüte auf und wollte sich gerade eine Handvoll in den Mund schieben, als sie feststellte, dass er noch nicht zufrieden zu sein schien. “Was ist? Hast du Hunger?”
“Ich muss nur gerade an die Beweisstücke vom Tatort denken. Keine große Sache, aber ich habe Nick ein Päckchen zur Aufbewahrung gegeben. Vielleicht hat es ein Kollege von der Spurensicherung mitgenommen?”
“Rick, du bittest mich nicht ernsthaft, ein Beweisstück zu unterschlagen, oder? Sag, dass das nicht wahr ist!”
Er hob die Schultern und beugte sich gerade weit genug vor, um sich ein paar Chips zu nehmen. Er ging ein Risiko ein, indem er sich mit diesem Päckchen in Verbindung brachte, aber was soll’s. Dabei erwischt zu werden, wie er fünfzehn Jahre alte Geschichten wieder aufwärmte, war eine seiner geringsten Sorgen. Besonders, weil sein Gefühl ihm sagte, dass das Päckchen verschwunden war,
bevor
die Polizei aufgetaucht war. Mimi sollte ihm das eigentlich nur noch bestätigen.
“Kannst du mir nicht zumindest sagen, ob ihr es habt?”, drängte er. “Es ist ein alter brauner luftgepolsterter Umschlag, unbeschriftet, aber ziemlich mitgenommen. Ich hätte ihn gerne zurück, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind.”
“Was befindet sich in dem Umschlag?”
“Persönliche Unterlagen”, antwortete er und fragte sich, ob er wohl noch erröten konnte. “Es ist ein bisschen peinlich.”
Sie seufzte schwer und nahm ihr Sandwich wieder in die Hand. Mit einem Finger fing sie einen Tropfen Ketchup von der labberigen Kruste auf. “Dräng mich nicht, Rick.”
Er nickte. “Okay. Dann lass ich dich jetzt besser allein.” Er hatte das Gefühl, sie würde es überprüfen. Ja, Mimi würde garantiert nachschauen. Sie war einfach zu neugierig. Ob sie ihm allerdings erzählen würde, was sie herausgefunden hatte, stand auf einem anderen Blatt.
10. KAPITEL
D ie Gerüchte besagten, dass der König der Gerüchte unter Angstzuständen litt. Seth Black, der Betreiber von Gotcha.com, war angeblich aufgrund seiner Agoraphobie ans Haus gefesselt. Das hatte Rick auf die Idee gebracht, sein überraschend schlichtes Apartment in Hollywood zu überwachen. Verdiente man mit Gerüchten etwa nicht genug? Unwahrscheinlich. Oder war Black so bescheiden? Vielleicht war er auch zu krank, um umzuziehen.
Seth Black hatte die Geschichte von Neds und Hollys mysteriösem Tod mehrere Stunden vor den anderen Medien herausgebracht, und Rick war neugierig, woher der Fünfundzwanzigjährige seine Informationen hatte.
Rick senkte den Kopf und massierte sich einen Moment lang die Schläfen. Nach einem langen Tag ohne Pause spürte er die Müdigkeit. Seit zwei Stunden parkte er in der Straße, in der Seth Blacks Apartment lag, aber bisher war nichts geschehen. Nur ein Techniker der Telefongesellschaft hatte an der Tür zu der Wohnung im Erdgeschoss geklingelt und war unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Rick hatte Blacks Nummer gewählt, bevor er losgefahren war, doch der Anruf wurde direkt zur Mailbox weitergeleitet. Langsam fragte er sich, ob Black zu Hause und ob die Idee mit der Überwachung wirklich so gut war.
Am Morgen, nachdem ihm klar geworden war, bei wem es sich um Lane Chandler handelte, hatte er die Adresse von Neds Haushälterin Jenny Shu herausgesucht und ihr einen Besuch abgestattet. Es hätte Rick nicht überrascht, wenn Jenny aufgeregt gewesen wäre, aber mit einem völligen Zusammenbruch hatte er nicht gerechnet. Jenny arbeitete schon seit Jahren für Ned, und Rick kannte sie ganz gut. Da war es selbstverständlich, dass er in die Hocke ging und die zierliche Asiatin in die Arme nahm. Natürlich hatten sie irgendwann beide geweint. Ihre Schluchzer berührten ihn, und Rick, der bis dahin eine stoische Ruhe bewahrt hatte, brach zusammen. Trauer schien ihn zu überfluten, bis er am ganzen Körper bebte. Jenny tat ihr Bestes,
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