Die Assistentin
anderen Gedanken mehr fähig. Was hätte er nur tun sollen, um ihre Beziehung zu retten?
In seinem eigenen Elend versunken, hatte er Lane und Priscilla und die Fernsehshow vollkommen vergessen. Seine Chefin und beste Freundin könnte genauso gut nie existiert haben. Er hörte auch nicht das Klingeln des Festnetztelefons, das auf der Couch im Wohnzimmer lag.
Darwin hörte nichts mehr außer dem schmerzhaften Dröhnen seines eigenen Herzens.
Rick ließ Lanes Hand fallen und wischte sich mit dem Hemdsärmel die Spucke aus dem Gesicht. Angespannt wartete sie darauf, dass er sich rächen würde. Erst als er sich von ihr abwandte, holte sie tief Luft. Es fühlte sich merkwürdig an, seinen Rücken anzustarren. Als hätte sie ihm Unrecht getan.
“Sie haben mir nicht geglaubt”, sagte sie, ohne sich die Mühe zu machen, zu erklären, was sie meinte. “Mein Freund war bewusstlos. Er hätte sterben können. Ich dachte, er wäre tot … Das werde ich Ihnen nie verzeihen!”
Er schwieg, aber Lane konnte fast hören, was er nicht sagte.
Mein Freund
ist
tot, und du bist die einzige Spur, die ich habe. Warum hilfst du mir nicht?
Glaubte er womöglich, sie wollte sich auf diese Weise an ihm rächen?
“Ich habe dich von der Straße geholt. Ich habe dir einen Gefallen getan.”
Sie schüttelte den Kopf, obwohl er es nicht sehen konnte. “Glauben Sie wirklich, dass ich ohne Sie immer noch auf der Straße leben würde? Meinen Sie wirklich, ich hätte überhaupt keine Würde?”
“Ich weiß, was aus Kindern wird, die auf der Straße leben.”
Er drehte sich um, in seinem Blick lagen Gefühle, die sie nicht deuten konnte. Ärger und Enttäuschung, weil er missverstanden worden war. Vielleicht auch Schuldgefühle. Sie konnte ihn nicht anschauen. Sie wollte nichts von seinen Problemen wissen. Sie hatte genug eigene Sorgen, mit denen sie kaum fertig wurde.
Sie ging zum Fenster und fragte sich, was er wohl sah, wenn er hinausschaute. Wahrscheinlich hing das davon ab, ob man bald sterben musste oder nicht. Etwas schien ihre Brust zu umklammern. Wie bizarr, dass gerade die Erinnerungen an ihn sie dazu gebracht hatten, etwas aus sich zu machen. Mit fünfzehn hatte dieser große Polizist mit der verspiegelten Sonnenbrille sie schockiert und eingeschüchtert. Sie hatte einen Feind in ihm gesehen, aber auch eine widerwillige Bewunderung empfunden, sogar einen Hauch von Heldenverehrung. Und dann hatte er sie zerstört. Auf eine sehr persönliche Weise hatte er sie tatsächlich vernichtet.
Vielleicht hatte er damals wirklich versucht, ihr zu helfen. Vielleicht hatte er dafür einfach nur einen unglücklichen Weg gewählt, als er sie glauben ließ, sie wäre schlecht und nutzlos.
Sie zerrte an dem Armband an ihrem Handgelenk, als könnte sie damit das beklemmende Gefühl in ihrer Brust auflösen. Doch dann sah sie, dass ihre Hand blutig war. Hatte sie sich geschnitten? Sie rieb ihre Hand sauber, konnte jedoch keine Wunde erkennen. Wenn es nicht ihr Blut war, musste es von ihm stammen. Aber dafür hatte sie nicht kräftig genug zugeschlagen. Es war nicht mehr als ein Klaps gewesen.
Mist. Er blutete. Ihr wurde kalt. “Rick? Geht es Ihnen gut?”
Sie drehte sich um, aber er war verschwunden. Ohne ein Wort zu sagen, hatte er den Raum verlassen, und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Ihm folgen, um herauszufinden was geschehen war?
Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. Ihr Koffer, die Aktentasche und die Handtasche standen in einer Nische neben der Eingangstür. Wahrscheinlich hatten sie die ganze Zeit dort gestanden, und sie hatte es nur nicht bemerkt. Offensichtlich wollte er, dass sie ging. Er war klüger als sie. Was immer mit ihm nicht stimmte, sie musste davon ausgehen, dass er damit schon umgehen konnte. Sie hatte das gefährliche Bedürfnis, Männer in Krisensituationen retten zu wollen. Angefangen hatte es mit ihrem Vater und war mit Darwin weitergegangen. Manche Frauen wurden hoffnungslos von Straftätern angezogen. Vielleicht waren es bei ihr keine Kriminellen, sondern die verletzten Krieger. Aber das war auch nicht besser. Und klug war es schon gar nicht.
Als sie endlich wieder zur Besinnung kam, ging sie zu ihrer Tasche, fischte ihr Handy heraus und sah auf die Uhr. Ihr Darwin-Phone schien immer noch kaputt zu sein, denn sie hatte den ganzen Morgen keine einzige Nachricht empfangen. Aber immerhin konnte sie damit ein Taxi rufen. Gott sei Dank hatte Bayless ihre Handtasche nicht aus dem Fenster geworfen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher