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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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durchgebrannt. Sicher hatte dies einer der Wissenschaftler verschuldet. Ich schaltete den Strom, der automatisch unterbrochen worden war, wieder ein und wandte mich dem Prädiktor zu. Als ich an die Schirme trat, bemerkte ich, daß ihr Leuchten etwas nachgelassen hatte. Die Wolken waren dunkler geworden. Silbrig leuchtend, die untere Stelle flach, die obere gewölbt – so zogen sie dahin; sie bewegten sich in der gleichen Richtung wie die Rakete.
    Nach einer Weile tat sich mitten im Gewölk ein Trichter auf; glatt und riesengroß, schien er bis in das Innere des Planeten zu reichen – ein Schlund, der die Wolken in sich hineinzog. Ich vermochte kaum noch hinzuschauen; denn rings um mich schwankte und drehte sich alles. Von den Federwölkchen, die in der Höhe des »Kosmokrators« schwammen, verschwand eines nach dem andern. Sie stürzten mit einer solchen Geschwindigkeit in die Tiefe, als hätte sie eine unsichtbare Faust hinabgeschleudert. Die Wolken unter uns verschmolzen zueiner metallisch glatten, dichten Masse und gerieten in den rasenden Wirbel des Abgrundes.
    Ich spürte, wie mein Körper schwer wurde. Gleichzeitig ging das Dröhnen der Motoren in ein immer höheres Singen über. Der Prädiktor steigerte fortwährend unsere Antriebskraft, um der zunehmenden Gravitation entgegenzuwirken, die uns in den Trichter zu ziehen drohte. Es war ein gigantischer Strudel, dessen Durchmesser ich auf über hundert Kilometer schätzte. Der »Kosmokrator« jagte auf der Bahn einer Sekante darüber hinweg. Ich sah auf den Gravimeter: Die Anziehungskraft wuchs noch immer. Ich brauchte es Arsenjew nicht zu melden; denn er mußte auch ohne Instrumente festgestellt haben, daß sich alle Glieder wie mit Blei füllten und die geringste Bewegung zur Kraftanstrengung wurde. Der Mittelpunkt des Trichters kam näher. Die Rakete wich nicht um ein Haar von der Sekante ab, die sie beschrieb; nur die Motoren gaben einen scharfen, pfeifenden Ton von sich, als würden sie plötzlich bei hoher Geschwindigkeit abgebremst. In diesem Augenblick betrat Arsenjew die Zentrale, gefolgt von Soltyk und Rainer.
    »Natürlich, seht nur, das ist ja der große Fleck«, rief der Astronom.
    »Der große Fleck?«
    »Ja. Ihr erinnert euch doch, daß wir kurz vor der Landung ein Loch in der Wolkendecke bemerkten. Wir verloren es damals aus den Augen – nun, hier habt ihr es wieder, aber aus unvergleichlich geringerer Entfernung.«
    »Hier in der Nähe muß doch der Talkessel der weißen Kugel sein!« warf ich ein.
    »Nicht nur in der Nähe, sondern genau unter uns. Dort«, der Professor wies auf den dunklen Trichtergrund. Aus allen Richtungen rasten lange Wolkenzüge mit wehenden Dunstmähnen in die schwarze Öffnung hinein.
    »Wer hat Dienst?« fragte Arsenjew.
    »Ingenieur Soltyk löst mich jetzt ab«, erwiderte ich.
    »Gut. Wir entfernen uns bereits vom Zentrum der Anziehung. Wenn die Gravitation auf 2 G gesunken ist, beginnen wir um den Talkessel zu kreisen. Smith, Sie übergeben jetzt an Soltyk und kommen dann bitte zum Marax.«
    Als ich nach einigen Minuten die Kabine des Marax betrat,waren die Gefährten schon versammelt. Lao Tsu saß hinter dem Pult. Arsenjew stand daneben und betrachtete irgendeine Zeichnung. Rainer machte sich an einem Projektionsapparat zu schaffen.
    »Wir kreisen also jetzt um den großen Fleck«, sagte der Astronom und legte die Papiere beiseite. »Es handelt sich um ein künstliches Gravitationsfeld, das die Wolken strudelartig hinabreißt. Bitte, Kollege Rainer, wir können beginnen.«
    Die Lichter an der Decke erloschen. An der Wand leuchtete eine quadratische Leinwand auf, die ein grünliches Bild zeigte. Es sah aus wie eine Radnabe mit einem Speichenkranz. Einige Speichen waren leicht gewellt.
    »Dies ist das Netz der unterirdischen Rohre, die der weißen Kugel die Energie liefern«, klang die Stimme des Astronomen aus dem Dunkel. »Im Vergleich zum magnetischen Pol kann man diese Kugel als Gravitationspol bezeichnen; denn sie bildet künstliche Schwerefelder. Sie haben hier eine Art Röntgenaufnahme vor sich, die wir vor einer Viertelstunde gemacht haben, und zwar aus einer Höhe von achtzig Kilometern durch die Rinde des Planeten hindurch.«
    Allmählich hatte sich unser Auge an das phosphoreszierende Flimmern des Schirmes gewöhnt, und wir bemerkten, daß sich die Linien der Rohre nicht überall mit der gleichen Schärfe abzeichneten. Die Unschärfen waren dadurch entstanden, daß der Boden den durchdringenden Strahlen

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