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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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Nachricht auf Anrufbeantworter gesprochen. Er hatte so einen merkwürdigen Klang in der Stimme und sagte sogar, wie stolz er auf mich wäre. Ich solle zu Dr. Albertz gehen, der mir alles erklären würde. Deswegen bin ich hier.«
    »Verstehe!«
    »Und wie ich sehe«, fügte Julia hinzu, »hat mein Vater hier einen Umschlag hinterlegt, den Sie mir nicht geben wollen.«
    »Nun fangen Sie nicht wieder damit an! Ich kann Ihnen den Umschlag nicht geben, das habe ich Ihnen doch schon erklärt!«
    »Irgend jemand hat Interesse daran, eine ganz große Sauerei zu vertuschen. Wer sagt mir —«
    Mit einem Ruck öffnete sich die Tür. Leo fuhr zusammen. Der Chef füllte den Raum.
    »Gestatten Sie«, sagte er, wobei er Julia von oben bis unten abschätzte. »Dr. Maximilian Albertz – Rechtsanwalt.«
    Zum ersten Mal erschien Leo die akzentuierte Pause zwischen Namen und Berufsbezeichnung wichtigtuerisch. Er hätte sich am liebsten verkrochen.
    »Sie sind also Fräulein Spohr?«
    »Frau Spohr«, erwiderte Julia kalt.
    Dr. Albertz zog eine Augenbraue hoch.
    »Nun ja, wie auch immer. Man sagte mir, Sie wollten mich unbedingt sprechen. Sehen Sie, ich bin ein viel beschäftigter Mann und sehe mich aufgrund meiner gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung außer Stande, mit Ihnen über Ihren Vater zu sprechen.«
    »Dr. Albertz«, begann Leo, »Professor Spohr ist letzte Nacht —«
    Der Chef unterbrach ihn. »Blum, Sie haben doch sicherlich auch keine Möglichkeit gesehen, nicht wahr?«
    Leo senkte den Blick.
    »Frau Magdalener berichtete mir, der Herr Professor habe Ihnen einen Umschlag für mich gegeben. Darf ich annehmen, dass dieser Umschlag sich noch in Ihrem Besitz befindet?«
    Leo nickte.
    »Dann seien Sie bitte so freundlich, und bringen den Umschlag in den Hauptsafe. Ich werde mich bei Zeiten damit befassen.«
    Wie auf Knopfdruck holte Leo den Umschlag aus seiner Notebooktasche, sprang auf und stach auf die Tür zu. Dabei begegnete er Julias Augen. ›Feigling!‹, sagte er sich, und drehte sich an der Tür zu Dr. Albertz um.
    »Dr. Albertz, der Professor —«
    »Was noch, Blum?«
    Leo schüttelte den Kopf und verließ das Zimmer. Er verschwand im Archivraum, wo sich der Hauptsafe befand. Von dort aus konnte er die erhobene Stimme des Chefs im Foyer hören. Julia antwortete etwas. Dann fiel die schwere Kanzleitür ins Schloss. Es dröhnte in Leos Kopf, eine Migränewelle schlug über ihm zusammen. Julia Spohr war gegangen.
     
Gottvater und Mutter Kirche
Erkenntnisse und Errungenschaften der Vorfahren waren bei den Christen verpönt. Die heidnische Tradition wurde gezielt diskreditiert. Gott wurde zur obersten Vertrauensperson, die Eltern zu seinen Gegnern stilisiert. Die Kinder sollten sich entscheiden, Familie oder Seelenheil. Vater und Mutter die Ehre, Gott allein die Liebe. Diese Verunsicherung der Kinder wird noch immer systematisch betrieben. Man beschuldigt sie, zu versagen, zu sündigen und unterstellt sogar den Allerkleinsten, dass ihnen der Makel der Erbschuld anhafte. Die Eltern kommen in Erklärungsnot, den Kindern bleibt die Angst! Und das jedem Großwerden innewohnende Auflehnen macht die Kirche sich zu Nutze, indem sie Jesus Christus als geheimen Vertrauten präsentiert. Mit ihm sollen sich die Kinder verbünden und alle Geheimnisse anvertrauen.
Jesus von Nazareth selbst hat nach der kirchlichen Lehre das Zerwürfnis begründet: ›So jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu auch sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein‹ (Lukasevangelium, 14, 26). Gottvater und Mutter Kirche beanspruchen den Gläubigen insgesamt, wollen die Familienbande durchbrechen, die Liebe einer Mutter, die Fürsorge des Vaters. Und das sich selbst erst findende, schutzbedürftige Kind soll glauben, sein kleines Leben zu verspielen, sein Glück und Heil zu gefährden, wenn es Gott nicht mehr liebt als die Eltern.
Wie oft sind wir alle deswegen wach gelegen? Es ist unvorstellbar grauenvoll!
E.A.S.

Schiefer Dienstag, 11 Uhr 28; Dr. Albertz‘ Rückfahrt
    Über so ein junges Ding zu stolpern, so eine unersättliche Person, hatte Dr. Maximilian Albertz immer für möglich gehalten. Widerwillig ließ er sich in den ICE schieben, wo er die junge Frau auf dem Bahnsteig nicht mehr sehen konnte, deren Oberteil sich beim Winken nach oben geschoben hatte. Er liebte schmale Taillen und diese tief sitzenden Hüfthosen. Man sagte ihm nach, dass ihm nichts peinlich sei.
    Neben

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