Die Aufrichtigen (German Edition)
ging, wo eine armselige Gestalt mit nassen Hosen und besudelten Schuhen in einer Lache von eigenem Auswurf stand und weinte.
»Widerlich!«, rief er aus und verschwand im Bahnhofs-WC.
Nun gab es keine Ehre mehr, kein Menschsein, nichts mehr, was den Professor hielt. Er rannte fort, die Treppe hinauf zu den Gleisen. Wenige Augenblicke nachdem der Zug nach München abgefahren war, erreichte Maiorinus den Bahnsteig und fluchte.
Magnum Crimen
Die Literatur über Hitler und Mussolini füllt ganze Bibliotheken. Über Ante Pavelic und seinen katholischen Gottesstaat Kroatien, der von 1941 bis 1945 bestand, ist hingegen wenig bekannt. Pavelic war Staatschef von Mussolinis und Hitlers Gnaden und genoss das besondere Wohlwollen des Vatikans, da er Papst Pius XII. versprach, aus Kroatien einen katholischen Staat zu machen. Demgemäß ließ er seine Ustascha-Milizen nicht nur die Oppositionellen und Juden abschlachten, sondern auch und vor allem die orthodoxen Serben. Seine offizielle Devise lautete, ein Drittel der Serben zu vertreiben, ein weiteres Drittel zur Konversion zu zwingen und das letzte Drittel zu ermorden. Die damals verübten Gräueltaten sind so abscheulich, dass man dafür keine Worte findet. Man schnitt Nasen und Ohren ab, spießte Säuglinge lebendig auf, schlachtete Söhne wie Vieh und ließ die Mütter das Blut in Schalen auffangen, man metzelte alles nieder, was nicht katholisch war, bis die Mörder im Blut wateten. Ante Pavelic sammelte ausgestochene Augen in einem Weidenkorb.
Pavelic wurde von der Kurie unterstützt, der Bischof von Zagreb, Alojzije Stepinac, gab Pavelic den Segen für seine Arbeit, hielt schützend die Hand über ihn. Franziskanermönche organisierten die Übergriffe des katholischen Mobs gegen die orthodoxen Serben, das Maschinengewehr wurde ihr wichtigstes Werkzeug. Der Franziskanerpater Miroslav Filipovic leitete das Vernichtungslager Jasenovac. Er konnte besonders gut Kehlen durchschneiden.
Mit Hilfe der Kurie floh Pavelic kurz vor dem Zusammenbruch des Reiches mit seiner klerofaschistischen Führungselite über Salzburg nach Argentinien, er starb im katholischen Spanien Francos.
Dr. Viktor Novak schrieb ein Buch über die unvorstellbaren Verbrechen in Kroatien unter Mittäterschaft der katholischen Kirche. Es trägt den Titel ›Magnum Crimen‹. Das Buch war sehr umstritten. Der größte Teil der Auflage von 1948 soll von der katholischen Kirche aufgekauft und vernichtet worden sein. Auch andere wissenschaftliche Werke zum Faschismus in Kroatien und der Rolle des Papstes sind längst nicht mehr erhältlich. Der Bischof von Zagreb, Alojzije Stepinac, wurde 1946 von einem jugoslawischen Gericht wegen seiner Beteiligung am Völkermord zu 16 Jahren Haft verurteilt. Niemand weiß, wie das Urteil gelautet hätte, wenn nicht nur katholische Richter beteiligt gewesen wären. 1952 wurde er zum Kardinal erhoben. 1998 hat ihn Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.
E.A.S.
Blauer Montag, 14 Uhr 07; die Hand in der Wunde (5)
»Sich Hochschlafen ist in der monotheistischen Religion also notwendig angelegt, mir fehlen die Worte!«
Dr. Albertz grinste über das ganze Gesicht.
»Pfui Teufel«, entgegnete der Professor, »du kannst einfach nichts ernst nehmen!«
»Aber wieso, das ist doch genau deine These, nur mit einfachen Worten ausgedrückt. Sag‘ mir, warum alle immer so erpicht darauf sind, sich korrekt zu verhalten? Würde man den Leuten erlauben, die Dinge beim Namen zu nennen, so hätten die Seelenfänger viel schlechtere Karten.«
»Du Spötter!«, rief der Professor.
Es schien als kämpfe er mit einem Lächeln.
»Schon wieder habe ich mich von dir provozieren lassen. Dabei bringst du doch nur auf den Punkt, worüber ich lange Bücher schreiben müsste. Weißt du, Max, für uns Alte ist es nicht so einfach, die Religion abzulegen, und das ist erschreckend. Eine jede Epoche hat ihre Gedankenwelt, ihre eigenen Regeln, ihre eigene Geschichte. Ein Leben ohne Religion ist nichts anderes als ein Leben außerhalb der Zivilisation, die uns hervorgebracht hat.«
»Das ist wahr«, antwortete Dr. Albertz mit einem Anflug von Bitterkeit, »man hat uns beigebracht, mitzumachen, die bestehende Ordnung anzuerkennen und keine unangenehmen Fragen zu stellen. Die folgenden Generationen sind uns weit voraus!«
»Ich hoffe, dass du dich nicht irrst«, entgegnete der Professor. »Denn das Bedürfnis, dazu zu gehören und nicht aus der Reihe zu tanzen, wird nicht unmodern. Es ist vielleicht
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