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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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schon einmal gesehen.
    Er klappte das Medaillon zu und drehte es um. Er glaubte, es wären Initialen auf dem Rücken, aber sie waren geschwungen und verziert, und er konnte sie nicht lesen.
    Einem Impuls folgend streckte er die Hand noch einmal in die Öffnung. Dieses Mal berührte er Papier. Das einzelne Pergamentblatt, das er herausholte, war uralt und brüchig, aber die Schrift war deutlich lesbar und die Unterschrift unmissverständlich. Der Name lautete Leven Valera, der berüchtigte Schwarze Herzog der Südlichen Baronie. Valera, der eines Tages König hätte werden können, hatte stattdessen seine letzten fünfundzwanzig Lebensjahre hier in der Zelle in der Spitze der Nadel verbracht, weil er seine Frau ermordet hatte. Kein Wunder, dass ihm die Bilder in dem Medaillon vertraut vorkamen! Der Mann war Valera, die Frau war Valeras
ermordete Frau Eleanor, über deren Schönheit immer noch Lieder gesungen wurden.
    Die Tinte, mit der Valera geschrieben hatte, war von einem seltsam rostig schwarzen Farbton, und die erste Zeile des Schreibens ließ Peters Herz erkalten. Das ganze Schreiben ließ ihn frösteln, und nicht nur deshalb, weil die Ähnlichkeit zwischen Valeras Situation und seiner eigenen so groß war, dass es sich fast nicht mehr um einen Zufall handeln konnte.
    An den Finder dieses Schreybens -
    Ich schreybe dies mit meinem eigenen Blut aus einer Vene, die ich mir am linken Unterarm geöffnet habe, mein Federkiel ist der Schaft einer Spune, die ich lange und mühsam an den Steynen meines Schlafzimmers geschliffen habe. Ich habe fast ein Viertel eines Jahrhunderts hier unter dem Himmel zugebracht; ich kam als junger Mann hierher, und jetzt bin ich alt. Der Husten und das Fieber plagen mich wieder, und diesmal werde ich wohl nicht überleben.
    Ich habe meine Frau nicht ermordet. Nein, auch wenn alle Beweyse gegen mich sprechen, ich habe meine Frau nicht ermordet. Ich liebte sie und liebe sie immer noch, auch wenn ihr Gesicht in meinem trügerischen Verstand verblasst ist.
    Ich glaube, es war der Hofzauberer des Königs, der meine Frau umgebracht und die Spuren so gelegt hat, dass ich aus dem Weg geschaffen wurde. Es scheint, als hätte sein Plan Erfolg gehabt, als gienge es ihm gut; doch ich glaube, es gibt Götter, die das Böse am Ende bestrafen werden. Seine Stunde wird schlagen, und während sich die Stunde meines Todes
nähert, beginne ich zu glauben, dass er von einem zu Fall gebracht wird, der auch zu diesem Ort der Verzweiflung kommt, der diesen mit meinem Blut geschriebenen Brief findet und liest.
    Wenn das so ist, so rufe ich Euch zu: Rache! Rache! Rache! Denkt nicht an mich und meine vergeudeten Jahre, aber vergesst niemals, niemals, niemals meine geliebte Eleanor, die im Schlafe in ihrem Bett ermordet wurde! Nicht ich habe ihren Wein vergiftet; ich schreibe den Namen des Mörders hier mit Blut nieder: Flagg! Es war Flagg! Flagg! Flagg!
    Nehmt dieses Medaillon und zeigt es ihm in dem Augenblick, da Ihr diese Welt von ihrem größten Schurken befreit - zeigt es ihm, damit er weiß, dass ich seinen Untergang mit herbeigeführt habe, aus meinem ungerechten Mördergrab heraus.
    Leven Valera
    Vielleicht begreift ihr jetzt das ganze Ausmaß von Peters Schrecken, vielleicht nicht. Vielleicht versteht ihr das etwas besser, wenn ich euch daran erinnere, dass Flagg zwar wie ein Mann in mittleren Jahren aussah, in Wirklichkeit aber schon sehr, sehr alt war.
    Peter hatte von dem angeblichen Verbrechen des Leven Valera gelesen, ja. Aber die Bücher, in denen er gelesen hatte, waren Geschichtsbücher. Alte Geschichtsbücher. Dieses verfallende, vergilbte Pergament sprach zuerst vom Hofzauberer des Königs und nannte dann Flagg beim Namen. Sprach von ihm? Schrie den Namen laut heraus - in Blut!
    Aber Valeras angebliches Verbrechen hatte sich zur Regierungszeit von Alan II. zugetragen …

    … und Alan II. hatte vor vierhundertfünfzig Jahren über Delain geherrscht.
    »Gott, o großer Gott«, flüsterte Peter. Er taumelte zu seinem Bett und ließ sich darauffallen, bevor seine Knie nachgaben und er zu Boden stürzte. »Er hat es schon einmal getan, und er hat es auf genau dieselbe Weise getan, aber vor über vierhundert Jahren! «
    Peters Gesicht war totenblass; die Haare standen ihm zu Berge. Zum ersten Mal wurde ihm klar, dass Flagg, der Hofzauberer des Königs, in Wirklichkeit Flagg das Monster war, das Delain wieder heimsuchte, und diesmal diente er einem neuen König - seinem jungen, verwirrten und leicht

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