Die Augen
eher den Eindruck, dass seine Sorgen um Joey die Oberhand gewannen. Doch sie sagte bloß: »Wir werden vorsichtig sein. Zwei Obdachlose, mit denen wir vor etwa einer Stunde gesprochen haben, schwören, dass sie David Robson kennen und dass er heute Abend in die Fellowship Rescue Mission kommt. Wahrscheinlich werden wir also dort sein.«
»Okay. Meldet euch regelmäßig, ja?«
»Verlass dich drauf.« Kendra beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder in ihre Schultertasche. Dann gab sie die relevanten Informationen an Jennifer weiter.
»Ihr Partner klingt ein bisschen nervös«, bemerkte Jennifer.
Kendra nickte. »Ja, ich gebe ihm noch eine Stunde, dann ist er selbst hier draußen und sucht nach Joey.«
»Sind sie befreundet?«
»Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Ich weiß nur, dass Quentin sich für den Typ verantwortlich fühlt, vielleicht, weil sie sich als Kinder gekannt haben.«
»Altlasten. Tragen wir wahrscheinlich alle mit uns herum.« Jennifer trank einen Schluck Kaffee.
»Wohl wahr.« Kendra sah hinaus auf die trüben Straßen und fügte hinzu: »Es wird schon dunkel. Ich denke, jetzt kommt langsam Betrieb in die Asyle.«
»Ja. Warten wir noch ein paar Minuten, dann gehen wir rüber, okay?«
»Mir recht.«
Es regnete, als sie das Café verließen, der Wind kam in Böen, schwoll an und ab, und die Temperatur war auf wenige Grad über dem Gefrierpunkt gesunken. Von daher war es kein Wunder, dass die Fellowship Rescue Mission an diesem Abend ziemlich begehrt war.
»Ja, wir sind heute ausgebucht«, erzählte ihnen Nancy Frasier. »Ich habe schon die Räume im Obergeschoss geöffnet und sämtliche Feldbetten und Schlafsäcke rausgeholt.«
»Wir suchen immer noch nach David Robson«, meinte Jennifer. »Was dagegen, wenn wir rumlaufen und mit den Leuten reden?«
»Von mir aus gern, solange Sie höflich bleiben. Manche dieser Leute werden ein bisschen nervös, wenn Polizei in der Nähe ist, denken Sie daran.«
»Wir halten uns zurück«, erwiderte Kendra lächelnd.
»Danke, das weiß ich zu schätzen.« Frasier seufzte. »Wir hatten heute schon ein paar Auseinandersetzungen. Ich weiß, die Atmosphäre auf den Straßen war heute angespannt, aber langsam merkt man es auch hier drin.«
»Wegen dem Vergewaltiger?«, fragte Jennifer.
»Größtenteils. Weil man zwei der Opfer hier in der Gegend gefunden hat. Weil die Frauen Angst haben und die Männer es satt haben, wie die Frauen sie ansehen. Weil es auf die Feiertage zugeht. Weil das Wetter wirklich lausig ist.« Sie seufzte erneut. »Suchen Sie sich was aus.«
Jemand rief nach Nancy, sie solle kommen, um bei irgendetwas zu helfen, und sie ließ die beiden Polizistinnen mit einem bedauernden Gesichtsausdruck stehen.
»Wenn wir uns trennen«, schlug Jennifer vor, »sind wir hier schneller durch.«
Kendra dachte sowohl an die Warnung ihres Partners als an den Grund, weshalb sie bei Jennifer war, und erwiderte daher: »Vielleicht, aber ich bin dafür, dass wir zusammenbleiben. Wenn die Jungs hier wirklich so nervös sind, wie die Leiterin sagt, dann sind einige von denen womöglich streitlustiger als sonst.«
»Und es ist weniger wahrscheinlich, dass sie sich mit uns beiden anlegen?« Jennifer nickte. »Ja, Sie mögen Recht haben. Sollen wir hier unten oder oben anfangen?«
»Hier unten, finde ich. Sieht aus, als wäre der Hauptschlafsaal für Männer schon voll.« Sie hörten plötzlich Gelächter und ein paar deftige Flüche aus dem Raum, und Kendra fügte hinzu: »Regeln hin oder her, irgendwer schafft es immer, eine Flasche reinzuschmuggeln.«
»Meine Lieblingsbeschäftigung«, murrte Jennifer sarkastisch, als sie auf den Männerschlafsaal zugingen. »Mit ein, zwei Betrunkenen streiten.«
»Vielleicht haben wir Glück und finden David Robson schnell«, warf Kendra ein.
Doch niemand war überraschter als sie, als sie ihn zehn Minuten später tatsächlich fanden. Ein anderer Mann erzählte ihnen, Robson wolle sich oben ein Bett suchen, um etwas mehr seine Ruhe zu haben.
»Er hält sich für was Besseres«, sagte ihr Informant naserümpfend. Er klang ziemlich beleidigt.
Der Mann, der auf dem nächsten Feldbett saß, war anderer Meinung. »Nee, der hält sich nich’ für was Bess’res, der is’ bloß tierisch schreckhaft. Vor ‘ner Weile hat wer ‘nen Schuh fallen lassen, da wär’ er beinah’ rückwärts wieder zur Tür rausgerannt.«
»Warum ist er denn so schreckhaft?«, fragte Kendra.
Der Mann gluckste mit
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