Die Augen
belegter Stimme. »Er sagt, ‘n Geist wär’ hinter ihm her. Also sagen Sie besser nich’ ›buh‹ zu ihm, Ladys.« Vergnügt lachte er keckernd über seinen eigenen Witz.
Jennifer und Kendra wechselten einen Blick, dann dankten sie den Männern, verließen den Schlafsaal und gingen zur vorderen Treppe.
»Nach all dem wäre ich wirklich verdammt sauer, wenn sich rausstellt, dass der Kerl einfach Wahnvorstellungen hat.«
»Ich weiß, was Sie meinen.«
Sie stiegen die Treppe ins Obergeschoss hinauf. Im Korridor trafen Sie die Leiterin. Als sie ihr berichteten, was die Männer im Erdgeschoss ihnen erzählt hatten, sagte sie:
»Wenn er seine Ruhe haben will, hat er sich vielleicht eins der kleinen Schlafzimmer hinten im Haus ausgesucht. Von denen sind mehrere noch ziemlich leer.«
In zwei dieser kleinen Schlafräume sahen Jennifer und Kendra vergeblich hinein: In einem schnarchte ein Mann, auf den die Beschreibung, die ihnen vorlag, auch nicht ansatzweise passte. Der andere war noch leer. Im dritten Raum, in den sie schauten – dem abgelegensten des ganzen Hauses – fanden sie David Robson.
Jennifer begriff sofort, warum Terrys Beschreibung so wenig hilfreich gewesen war. Robson sah aus wie zwei Drittel der Männer, die sich gegenwärtig im Obdachlosenasyl aufhielten; man hätte sie praktisch gegeneinander austauschen können. Sein Alter lag vermutlich irgendwo zwischen dreißig und fünfzig. Er war ein krummer, dünner Mann, trug schäbige Kleidung, die nicht warm genug war für dieses Wetter, und sowohl sein reichlich zerzaustes Haar als auch sein dichter Bart waren von einem Allerweltsbraun mit grauen Strähnen. Seine Augenlider waren dick, die Augen trübbraun und mehr als nur ein wenig blutunterlaufen.
Und wie so viele andere Männer in diesem Haus fühlte auch er sich unwohl in der Gegenwart der Polizei. Er wich wahrhaftig in eine Ecke des kleinen Zimmers zurück und drückte einen alten Matchbeutel an die Brust, der offenbar alle seine Habseligkeiten enthielt.
Die beiden Frauen arbeiteten instinktiv zusammen. Als sie den Raum betraten, trennten sie sich ein wenig voneinander. Kendra ging einige Schritte zu einer Seite, lehnte sich ungezwungen an eine niedrige Kommode und überließ es Jennifer, sich Robson zu nähern. Diese Taktik sollte bewirken, dass er sich weniger bedroht fühlte, doch sie funktionierte nur teilweise. Beinahe ununterbrochen schossen seine Augen nervös von einer zur anderen.
»Ich habe nichts getan«, protestierte er, sobald Jennifer ihm gesagt hatte, wer sie waren.
»Das wissen wir, David«, erwiderte sie beschwichtigend. »Wir würden Ihnen nur gern ein paar Fragen stellen, das ist alles. Zu diesem Geist, den Sie vor ein paar Wochen gesehen haben.«
Er erstarrte und zog sich noch weiter in seine Ecke zurück. »Ich habe nichts gesehen. Wer das gesagt hat, ist ein Lügner.«
Jennifer hatte nicht erwartet, dass es leicht sein würde, doch nun unterdrückte sie einen Seufzer. »Sie sind nicht in Schwierigkeiten, David, das kann ich Ihnen versichern. Niemand will Ihnen was tun. Wir möchten nur wissen, was Sie in jener Nacht gesehen haben. Sie haben in dem alten Lagerhaus übernachtet, nicht wahr? Auf dem Steg? Und Sie haben aus dem Fenster gesehen, stimmt’s?« Da sie sich nicht im Gerichtssaal befand, musste sie sich nicht darum kümmern, dass sie ihren Zeugen in eine bestimmte Richtung lenkte. Alles, was sie wollte, war etwas – irgendetwas –, das ihnen helfen würde, den Vergewaltiger zu finden oder doch wenigstens zu identifizieren.
Er schluckte deutlich sichtbar, und seiner Kehle entwich ein leises Geräusch, ein angsterfüllter Laut. »Er wollte die jungen Hunde ertränken. Das weiß ich. Er wollte sie ertränken, und jetzt sucht er nach mir.«
»Wir sorgen dafür, dass er Sie nicht findet«, versicherte ihm Jennifer. »Hier sind Sie sicher. Hat er die Welpen in einem Sack getragen, David?«
Er nickte ruckartig. »Ja, ein Sack. Den hat er über der Schulter getragen.«
»Und Sie haben gesehen, wie sie sich bewegt haben?«
»Die armen Dinger. Arme kleine Dinger. Er hatte ihnen schon wehgetan, sie haben nämlich geblutet. Ich hab das Blut auf dem Sack gesehen. Er hat Hunde noch nie gemocht. Überhaupt nich’. Bestimmt, weil die ihn auch nicht mögen. Hunde wissen, wer gut ist. Hunde wissen das.«
Jennifer bemühte sich darum, trotz ihrer Erregung den ungezwungenen, harmlosen Tonfall beizubehalten. »Es war nachts, David, und Sie waren ein Stück entfernt. Woher
Weitere Kostenlose Bücher