Die Augen
erlebt.
Er kochte Kaffee, wobei er beinahe auf Anhieb mit Maggies altmodischem Kaffeefilter zurechtkam, dann inspizierte er ihre Tiefkühltruhe und fand eine große Dose offenbar selbst gemachter Suppe. Das schien ihm das ideale Essen. Er konnte es auftauen und auf dem Herd köcheln lassen, bis Maggie aufwachte, also tat er das.
Während die Suppe heiß wurde, überprüfte er zum zweiten Mal Türen und Fenster und vergewisserte sich, dass alles verschlossen und gesichert war. Normalerweise war er nicht so ängstlich, doch was Maggie geschehen war, hatte ihn mehr erschüttert, als er sich selbst eingestehen mochte, und so wollte er möglichst vorsichtig sein.
Vielleicht konnte er sie nicht vor »übersinnlichen Schwingungen« schützen, die ihr Schmerzen und Verletzungen bereiteten, doch er konnte verdammt noch mal dafür sorgen, dass nichts Greifbareres sie verletzen konnte.
Wie zum Beispiel ein Serienvergewaltiger, der womöglich die Polizeiwache überwacht und dabei genauso leicht Maggie wie Jennifer oder Kendra gesehen haben mochte. Ein Vergewaltiger und Mörder, der beschlossen haben könnte, die Bedrohung durch eine Polizeizeichnerin auszuschalten, die mit genügend Zeit sehr wohl irgendwann in der Lage sein mochte, ihn zu sehen, wie seine Opfer es nicht gekonnt hatten.
Ruhelos ging John zu Maggies Schlafzimmertür und öffnete sie behutsam. Der Raum war völlig still. Die Lampe auf ihrem Nachttisch war gedimmt. Er sah, dass sie noch schlief, anscheinend friedvoll.
Mehrere Minuten blieb er in der Tür stehen und betrachtete sie einfach nur, lauschte auf ihren Atem. Er hatte ihr nur die Jacke und die Schuhe ausgezogen und sie mit einer Decke zugedeckt, als er sie hier hereingetragen hatte. Sie war zu schläfrig gewesen, um zu protestieren, erschreckend schwach und wehrlos in seinen Armen. Soweit er sah, hatte sie sich nicht einen Zentimeter bewegt, seit er sie hier allein gelassen hatte.
Er trat ins Zimmer und nahm ihre Flanelljacke von der gepolsterten Bank am Fußende ihres Bettes. Sogar in diesem schwachen Licht konnte er die Blutflecken erkennen, und als er mit dem Daumen darüberstrich, fühlten sie sich immer noch feucht an.
Blut. Echtes Blut. Er konnte es riechen.
Er hatte die klaffende Wunde in ihrer Kehle gesehen, schrecklich, nur allzu real. Maggie hatte hinterher nicht geweint oder auch nur irgendein Geräusch von sich gegeben, doch er hatte auch das Leiden in ihren Augen gesehen.
Behutsam legte John die Jacke wieder zurück auf die Bank und ging aus dem Zimmer, wobei er die Tür ganz sachte schloss. Systematisch überprüfte er erneut das restliche Haus, dann sah er nach der Suppe. Danach kehrte er ins Wohnzimmer zurück, trank Kaffee und schaute grübelnd den Wetterbericht, der Seattle eine nasse, stürmische Nacht vorhersagte.
18
Am späten Nachmittag war das Wetter noch schlechter geworden. Dennoch entschieden sich Jennifer und Kendra dafür, weiter nach David Robson zu suchen, statt auf die Wache zurückzukehren. In einem kleinen Café machten sie Pause, um einen Kaffee zu trinken. Sie meldeten sich telefonisch bei Andy und Quentin und erfuhren zu ihrer Freude, dass es möglicherweise einen weiteren Hinweis bei der Suche nach dem schwarzen Caddy gab, der vielleicht dem Vergewaltiger gehörte. Allerdings klang Quentin eher deprimiert denn hoffnungsvoll, als er seiner Partnerin berichtete, wie wenig Informationen sie bisher hatten.
»Knapp fünfzig alte schwarze Caddys in der Stadt, verdammt. Allein schon die ganzen Namen durch den Computer zu jagen, damit wir was haben, womit wir anfangen können, wird dauern.«
Kendra kannte ihren Partner, deshalb sagte sie rundheraus: »Es ist nicht deine Schuld, dass Joey beschlossen hat, die Sache in die Hand zu nehmen.«
»Ach nein? Wessen Schuld ist es dann?«
»Er ist schon groß, Quentin. Sehr groß.«
Quentin lachte nicht. »Und er würde nie nach diesem Kerl suchen, wenn ich ihn nicht darauf gebracht hätte.«
»Du hast ihn gebeten herauszufinden, wer hinter dieser angeblichen Entführung steckt, das ist alles. Alles andere ist Joeys Entscheidung, nicht deine.«
»Ja, ja.« Quentin seufzte. »Hör mal, du und Jenn seid bitte vorsichtig heute Abend da draußen, ja? Passt gut auf euch auf.«
»Weißt du etwas?«, fragte Kendra rundheraus.
»Nein. Ich habe für heute Abend einfach nur ein ganz schlechtes Gefühl.« Er klang rastlos.
Kendra, die vor seinen »Gefühlen« ebensolchen Respekt hatte wie vor seinen Vorahnungen, hatte hier
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