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Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hooper
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Unbehagen, über Intuition zu sprechen, stimmt’s?«
    »So wie Sie und Quentin sie offenbar verwenden – ja.«
    »Ich bin keine Hellseherin.« – »Sicher?«
    Ehe Maggie antworten konnte, erschien unvermittelt ein großer blonder Mann in der Tür und begrüßte sie fröhlich.
    »Ich hoffe, irgendwer hat an eine Taschenlampe gedacht. Denn sonst stehen wir da drin ganz schnell im Dunkeln, wenn wir uns nicht verdammt beeilen.«
    »Ich dachte, sie hätten euch beigebracht, für alles gewappnet zu sein«, meinte John.
    »Das sind die Pfadfinder. Ich war nicht bei den Pfadfindern. Bei den Marines übrigens auch nicht.«
    Letzteres stellte John nicht infrage, sondern seufzte nur und sagte, er habe mehrere Taschenlampen im Auto.
    »Ich hab’s gewusst. Deshalb habe ich auch keine mitgebracht.«
    »Beschwer du dich noch. Maggie, das ist Quentin Hayes, der behauptet, Dinge zu wissen, bevor sie geschehen sind.« In seiner Stimme lag kein Hohn, nur ein gewisser amüsierter Spott. Er überließ es ihr, damit etwas anzufangen, und holte die Taschenlampen aus seinem Wagen.
    »Sie sind also der Seher?«, fragte sie.
    »Nicht im wörtlichen Sinne von einem, der sieht. Das tue ich nämlich nicht. Keine Visionen.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich weiß einfach manches. Ein bisschen so, wie andere manchmal Zugang zu einer Erinnerung oder Fragmenten von Wissen bekommen, das sie einmal gelernt haben. Der Unterschied ist, wenn mir das passiert, ist es oft das Wissen um etwas, das noch nicht geschehen ist.«
    »Das muss beunruhigend sein.«
    »Es hat gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte.« Er betrachtete sie nachdenklich. »Ich habe gehört, was Sie tun, wird die reinste Zauberei genannt.«
    »Ich würde es nicht so nennen.«
    »Ach? Und wie nennen Sie es?«
    »Eine Fähigkeit, an der ich schon beinahe mein halbes Leben arbeite. Zufällig kann ich zeichnen. Ebenfalls zufällig kann ich zuhören, wenn Leute beschreiben, was sie gesehen haben, und dann kann ich es zeichnen. Das hat nichts mit Zauberei zu tun.« Mittlerweile spulte sie diese rationale Erklärung ihrer Fähigkeiten schon automatisch ab.
    »Wenn Sie es so formulieren«, sagte Quentin liebenswürdig, »klingt es völlig normal.«
    »Weil es so ist.«
    John kehrte zu ihnen zurück und reichte ihnen Taschenlampen. »Quentin, wie lange bist du schon hier?«
    »Eine halbe Stunde, vielleicht ein bisschen länger. Ich bin eine Weile nach oben gegangen entlang der Strecke, über die sie sich nach draußen geschleppt hat.«
    Maggie warf ein: »Es ist immer noch zu sehen, oder? Das Blut.« Mit einer Hand umklammerte sie die Taschenlampe, mit der anderen drückte sie ihren Skizzenblock eng an sich.
    Quentin blickte sie an, und für einen Augenblick hatte sie das Gefühl, er hätte sie mit einer warmen Hand körperlich berührt – dabei hatte er sich nicht bewegt. Doch der Augenblick ging vorüber, und er nickte, nunmehr ernüchtert.
    »Ich fürchte, ja, zumindest stellenweise. Getrocknet und braun jetzt, aber immer noch da. Diejenigen von uns mit einer lebhaften Fantasie – oder etwas mehr – können es sogar riechen. Es tut mir Leid, Maggie.«
    Sie wusste nicht, ob er damit Mitgefühl zum Ausdruck bringen oder sich für irgendetwas entschuldigen wollte. Sie beschloss, nicht zu fragen. Stattdessen sagte sie: »Ich möchte sehen, wo er sie zurückgelassen hat.«
    »Hier entlang.« Quentin wandte sich um, und sie folgten ihm ins Gebäude.
    Maggie war derartig daran gewöhnt, sich zu schützen, dass es nun eine bewusste Anstrengung erforderte, die inneren Barrieren abzubauen und mit sämtlichen Sinnen ihre Umgebung abzutasten. Sie mochte nicht, was sie dann wahrnahm, doch mittlerweile wusste sie immerhin, was sie zu erwarten hatte, als sie widerwillig ihre Deckung aufgab.
    Durch die vielen zerbrochenen Fenster gelangte genug Licht ins Haus, dass sie sehen konnten, wenn auch nicht gut. An der rechten Wand des Eingangsbereichs führte eine Treppe nach oben. Dahinter erstreckte sich ein Korridor zur Rückseite des Gebäudes. Türrahmen säumten den Korridor, zumeist ohne oder mit stark beschädigten Türen. Abblätternde Farbe bedeckte das Holz, und fleckige Tapeten hingen in Fetzen von den Wänden.
    Einrichtungsgegenstände wie Türknäufe und Lampen fehlten. Auch alles andere von Wert war bereits vor langem entweder legal oder von Vandalen aus dem Haus geschafft worden. Die knarrenden Dielen unter ihren Füßen waren kaum noch von altem Linoleum bedeckt. Das ganze Haus roch nach

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