Die Auserwaehlte
Boden und fragte sich, wie viele der Spuren wohl von den gestohlenen Tieren aus den Herden der Acoma stammen mochten. Sie hatte einmal zufällig mit angehört, wie ein Händler von den Angewohnheiten bestimmter Clans im Norden berichtet hatte; diese kerbten die Hufe ihres Viehs, damit die Fährtenleser die gestohlenen Tiere leichter wiederbeschaffen konnten. Die Acoma hatten sich bisher immer auf die Loyalität von genügend Kriegern verlassen können, und so waren solche Vorsichtsmaßnahmen unterlassen worden.
Papewaio reichte ihr ein Gefäß mit Wasser. »Mylady?«
Mara wurde aus ihren Gedanken gerissen, trank einen Schluck und benetzte dann Wangen und Nacken mit Wasser. Es war jetzt schon ein gutes Stück nach Mittag, und die schrägen Sonnenstrahlen verwandelten die Soldaten in Statuen, die aus Licht und Schatten geschnitzt schienen. Der Wald hinter ihnen war still, als wäre jedes lebendige Wesen in der Nachmittagshitze in tiefen Schlaf versunken. Mara zitterte, das kühle Wasser auf der Haut ließ sie plötzlich frösteln. Hätten Banditen im Hinterhalt gelegen, wären sie doch wohl sicherlich bereits zum Angriff übergegangen; bei dem Gedanken an eine andere, unangenehme Möglichkeit sah sie ihren Truppenführer an.
»Pape, was ist, wenn die Grauen Krieger einen Bogen geschlagen und den Acoma-Besitz angegriffen haben, während wir hierher unterwegs waren?«
Der Krieger stellte das Trinkgeschirr auf einem Stein neben sich ab. Seine Rüstung quietschte, als er mit den Achseln zuckte und mit gegen den Himmel gekehrten Handflächen andeutete, daß der Erfolg eines Planes immer auch von der jeweiligen Fügung des Schicksals abhing. »Wenn Banditen Euer Gut angreifen, ist jede Ehre verloren, denn die besten Eurer Krieger sind hier bei Euch.« Er warf einen Blick auf den Wald, während seine Hand wie zufällig an das Heft des Schwertes glitt. »Aber ich halte das für unwahrscheinlich. Ich habe den Männern eingeschärft, wachsam zu sein. Die Hitze des Tages läßt nach, doch noch immer ist keine Zikade im Wald zu hören.« Plötzlich pfiff ein Vogel laut über ihnen. »Und wenn der Karkak schreit, droht Gefahr.«
Ein Ruf erscholl von den Bäumen am Rand der Lichtung, und starke Hände stießen Mara zurück in die Sänfte. Ihre Armreifen verhakten sich in den seidenen Vorhängen, als sie die Hand ausstreckte, um den Fall abzubremsen. Sie taumelte unbeholfen gegen die Kissen, riß den Stoff zur Seite und sah zu, wie Papewaio das Schwert aus der Scheide zog und herumwirbelte, um sie zu verteidigen. Sein Fuß stieg gegen das Trinkgefäß, es kippte und zerplatzte an einem Stein. Bruchstücke prallten gegen Maras Knöchel, während die Krieger schnell die Schwerter aus den Scheiden zogen, um sich dem Angriff der Gesetzlosen entgegenzustellen, die nun ihre Deckung verlassen hatten.
Durch die geschlossene Reihe ihrer Verteidiger hindurch konnte Mara einen Blick auf die Männer erhaschen, die mit blanken Waffen auf die Wagen zurannten. Sie mochten dünn und ziemlich schmutzig und zerlumpt sein, doch ihr Vorhaben war diszipliniert genug und wohlüberlegt. Die Schlucht hallte wider von ihren Schreien, als sie sich daran machten, die Reihe der Verteidiger zu durchbrechen. Mara zerknüllte den feinen Stoff zwischen ihren Händen. Ihre Krieger waren zahlenmäßig deutlich unterlegen, doch in dem Bewußtsein, daß ihr Vater und ihr Bruder in der barbarischen Welt weit schlimmere Kämpfe gefochten hatten, zwang sie sich, beim Geräusch aufeinandertreffender Schwerter nicht zurückzuzucken. Papewaios Stimme übertönte die allgemeine Verwirrung; sein Federbusch war in dem Gedränge leicht zu erkennen. Auf sein Zeichen gaben die Krieger der Acoma mit nahezu mechanischer Disziplin den Weg frei.
Der Angriff stockte. Da ein Rückzug niemals Ehre mit sich bringen würde, bestand die Taktik der Tsurani üblicherweise im Angriff und nicht in der Verteidigung. Die Banditen wurden daher argwöhnisch, als sie sahen, daß die Wagen im Stich gelassen wurden. Völlig von ihrer Eskorte umringt, die ihr die Rückseite der grünen Rüstungen zuwandte, hörte Mara einen hohen, spitzen Schrei. Schritte erklangen, als die Angreifer nachsahen. Abgesehen von den unbewaffneten Viehtreibern und dem erschreckten Wasserträger waren die Wagen ohne jede Auseinandersetzung verlassen worden. Anscheinend hatten die Krieger sich zurückgezogen, um die wertvolleren Schätze zu verteidigen.
Die Banditen näherten sich jetzt, langsam und argwöhnisch.
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