Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
als sehr einladend. »Gehen wir also, Kommandeur. Es sind Acoma-Soldaten hier, die sich über ein Bad und eine warme Mahlzeit freuen und es vorziehen würden, sich in Baracken auszuruhen, wo der Nebel ihre Laken nicht klamm werden läßt«, rief sie laut genug, daß die Männer es hören konnten.
    Selbst Maras Augen wurden feucht vor Rührung, als die ehemaligen Banditen daraufhin stürmische Freudenschreie ausstießen. Die Männer, die vor kurzem noch bereit gewesen waren, gegen sie zu kämpfen, waren nun bestrebt, sie zu schützen. Still dankte das Mädchen Lashima. Dies war ihr erster Sieg, und er hatte sich noch recht leicht erringen lassen; angesichts der Stärke der Minwanabi und der raffinierten Schläue der Anasati würden weitere Siege in Zukunft nicht so einfach sein – wenn sie ihr überhaupt gelingen sollten.

    Mara wurde leicht gegen die Kissen geworfen, als die Sklaven die Sänfte aufnahmen; sie fühlte sich plötzlich erschöpft und müde und erlaubte sich einen tiefen Seufzer der Erleichterung. Alle Zweifel und Ängste, die sie während der Auseinandersetzung und der Unterredung mit den Banditen unterdrückt hatte, traten jetzt hinter dem Schutz der Vorhänge an die Oberfläche. Erst jetzt konnte sie sich eingestehen, wie verängstigt sie gewesen war. Sie spürte ein unerwartetes Frösteln. Sie war sich im klaren, daß Feuchtigkeit die feine Seide ihres Kleides verderben würde, und unterdrückte schniefend den unerträglichen Drang zu weinen. Lano hatte sich über ihre Gefühlsausbrüche als Kind immer lustig gemacht, er hatte sie damit geneckt, daß sie keine richtige Tsurani wäre – obwohl von Frauen niemals so sehr erwartet wurde, sich zu beherrschen, wie von Männern.
    Sie erinnerte sich an seine scherzhaften Worte und daran, daß sie ihren Vater niemals unsicher gesehen hatte, auch nicht zweifelnd oder ängstlich. Sie schloß die Augen und versuchte sich mit einer meditativen Übung zu beruhigen. Sie hörte die Stimme der Schwester, die sie im Tempel Lashimas unterrichtet hatte, in ihrem Bewußtsein: Lerne die wahre Natur deines Ichs kennen, akzeptiere alle Aspekte deines Ichs, dann kannst du beginnen, sie zu beherrschen. Die Leugnung des Ichs heißt, alles zu leugnen.
    Mara schniefte wieder. Jetzt tropfte auch ihre Nase. Sie schob ihre Ärmel hoch, um sie nicht zu beschmutzen, und gestand sich still die Wahrheit ein. Sie war erschreckt gewesen, am meisten in dem Augenblick, als sie überlegt hatte, ob die Banditen möglicherweise ihre Güter überfielen, während sie hier vergeblich die Berge nach ihnen absuchte.
    Wieder tadelte Mara sich: So durfte sich eine Herrscherin nicht benehmen! Doch dann verstand sie die Quelle ihrer Gefühle: Sie konnte nicht mit Sicherheit sagen, welches Benehmen von einer Herrscherin erwartet wurde. Sie besaß keinerlei Erfahrung, was das Führen eines Hauses anging – ein Tempelmädchen, wider Willen in den tödlichsten aller Wettbewerbe des Kaiserreichs gestoßen.
    Mara rief sich eine frühe Lektion ihres Vaters ins Gedächtnis: Zweifel behinderten die Fähigkeit, entschlossen zu handeln, und im Spiel des Rates war Zögern gleichbedeutend mit Sterben.
    Um zu vermeiden, daß sie zu lange über ihre Schwächen grübelte, blinzelte Mara durch einen Spalt in den Vorhängen auf die gerade rekrutierten Acoma-Angehörigen. Ihre Kleidung war vernachlässigt, die Gesichter waren ausgezehrt, die Arme dürr, und ihre Augen erinnerten an erschreckte Tiere, doch diese Männer waren Soldaten, und Mara erkannte nun etwas, was sie bisher übersehen hatte: Diese Gesetzlosen, sogar dieser spitzbübische Lujan, waren genauso erschreckt gewesen wie sie. Diese Erkenntnis verblüffte Mara zunächst, bis sie den Überfall noch einmal vor ihrem geistigen Auge ablaufen ließ – diesmal allerdings aus der Perspektive der Gesetzlosen. Abgesehen davon, daß sie in der Unterzahl waren, hatten sich die Krieger der Acoma als kampferprobte Soldaten präsentiert, gut bewaffnet und stark. Einige dieser Grauen Krieger dagegen hatten seit einem Jahr keine richtige Mahlzeit mehr gesehen, und ihre Waffen waren eine seltsame Mischung aus weggeworfenen, gestohlenen oder mühselig zusammengebastelten Schwertern und Messern. Nur wenige hatten so etwas wie einen Schild, und keiner trug eine Rüstung. Nein, dachte Mara, viele dieser traurigen, verzweifelten Männer mußten damit gerechnet haben, daß einige von ihnen an diesem Tage ihr Leben lassen würden. Und jeder hatte sich gefragt, ob er wohl zu

Weitere Kostenlose Bücher