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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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reißen würden.
    Ich klopfte an die Tür von Prophets Arbeitszimmer und wartete darauf, dass er mich hereinbat. Stattdessen ging die Tür auf, und Mom stand vor mir, in einem leuchtend weißen Satinkleid mit Spitzenärmeln und Spitzeneinsätzen am Oberteil und Perlen und …
    O Gott.
    Es war ein Hochzeitskleid.
    »Was meinst du?«, fragte Mom.
    Sie hatte also das Entsetzen in meinen Augen als Überraschung missverstanden.
    »Mom, es ist … Woher hast du es?«, fragte ich.
    »Rance hat es heute Morgen bringen lassen.« Ihr Lächeln verblasste ein wenig. »Gefällt es dir nicht?«
    Ich blendete den Anblick aus und versuchte, ruhig und versöhnlich zu klingen. »Doch«, erwiderte ich und unterdrückte einen Schauder. »Es ist sehr schlicht. Und klassisch. Elegant. Alles davon.« Halt den Mund!
    Mom strahlte und winkte mich in Prophets Arbeitszimmer. Ich sah mich um. Es entsprach nicht meinen Erwartungen, war kein Schrein für Prophets alttestamentarischen Gott. Es war schlicht. An den Wänden standen Bücherregale, die vom Boden bis zur Decke reichten, aber keine Bücher enthielten. Nur ein Mahagonischreibtisch stand da, auf dem eine große und in Leder gebundene, aufgeschlagene Bibel lag. Ich sah die Schrift, bei der es sich eindeutig nicht um Blindenschrift handelte. Prophet musste sich die Passagen, für die er sich interessierte, ins Gedächtnis eingeprägt haben.
    Prophet saß auf einem wuchtigen Ledersessel hinter seinem Schreibtisch. Er kehrte uns den Rücken zu und war zum Fenster gewandt, das einen Ausblick auf den Strand und das Meer bot.
    An der Wand hinter dem Schreibtisch stand eine leere Vitrine. Wenn ich hätte raten müssen, was sich darin hätte befinden sollen, wäre mir ein gewisser glänzender Gegenstand mit gefährlich spitzem Ende eingefallen: das Messer, mit dem Jeremy ein paar Nächte zuvor in meinem Zimmer aufgetaucht war und mit dem ich Prophet in meiner Vision Jeremys Hals hatte aufschlitzen sehen. Wo befand sich das Messer jetzt?, fragte ich mich.
    Mom ging um den Schreibtisch herum und stellte sich wie ein braves, treues Haustier neben Prophet. Er drehte sich mit seinem Sessel um und sah mich an. »Mia«, sagte er zur Begrüßung. Bildete ich es mir ein, oder sprach er meinen Namen jetzt irgendwie anders aus? Sein Tonfall klang kühler, distanzierter, als ob …
    Nein. Denk nicht darüber nach. Sei die andere Mia. Diejenige, die er sehen möchte.
    »Freudige Neuigkeiten«, sagte Prophet. »Deine Mutter und ich haben beschlossen zu heiraten.«
    »Wow«, entgegnete ich und zwang mich, meine Stimme locker klingen zu lassen und mir nicht meine aufkommende Panik anmerken zu lassen. »Ihr beiden habt euch doch erst gestern Abend kennen gelernt.«
    Bildete ich es mir nur ein, oder wirkte Moms Lächeln gezwungen? »Es kommt ein bisschen plötzlich, aber …«
    »Deiner Mutter und mir kommt es so vor, als wären wir seit Jahren zusammen«, fiel ihr Prophet ins Wort. »Ich würde es Liebe auf den ersten Blick nennen, aber, na ja …«
    Er lächelte über seinen Scherz. Mom tat dasselbe. Ich zog die Mundwinkel so weit wie möglich hoch, doch sie sträubten sich dagegen. »Und wann ist der große Tag?«
    »Heute Abend«, antwortete Prophet, »bei der Erweckung.«
    Mein Magen drehte sich um. »Heute Abend? Nicht … Sie wissen schon … nach dem Unwetter, wenn sich die Lage wieder etwas beruhigt hat?«
    »Gott wünscht, dass unsere Vereinigung heute Abend stattfindet. Das hat er sehr deutlich gemacht.«
    »Toll«, gab ich zurück. »Großartig.«
    Ich sah Mom an, sah ihr in die Augen und suchte in ihrem Blick nach einem Anzeichen dafür, dass ein Teil von ihr wusste, wie verkehrt das alles war.
    »Bekümmert dich irgendetwas, Mia?«, erkundigte sich Prophet, als könnte er die Wahrheit in meinem Gesicht sehen. Oder meine Gedanken lesen, die ich nicht in Schach halten konnte. Aber wenn er versucht hätte, sie zu lesen, hätte ich es doch bemerkt, oder etwa nicht? Ich hätte den Druck in meinem Kopf gespürt und das Summen. Ich wartete darauf, dass das Summen begann, doch bislang war ich die Einzige, die sich in meinem Kopf aufhielt.
    »Bringt es denn nicht Unglück, wenn der Bräutigam die Braut vor der Vermählung in ihrem Hochzeitskleid sieht?«, fragte ich und hätte mir am liebsten auf die Stirn geschlagen. Prophet blinzelte mich mit seinen milchigen Augen an. »Wir glauben nicht an Glück oder Unglück. Es gibt nur den Willen Gottes und den Plan Gottes, und all das ist ein Teil seines

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