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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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… in meinem Tonfall, da ich keine Drohung hatte auszusprechen brauchen, die ich wahrscheinlich nicht hätte wahrmachen können. Und wie sich herausstellte, bedurfte es keiner Drohungen. Mein plötzliches Erscheinen überraschte die Jünger so sehr, dass sich ihr Griff lockerte.
    Katrina riss sich los und lief auf mich zu. Mit feuchten Augen hob sie die Hand und griff nach dem, was von ihrem Haar noch übrig war. Sie sah jünger aus ohne die schwarze Mähne auf ihrem Rücken, und ihre dunklen Augen wirkten größer, beinahe unschuldig.
    Die Jünger grinsten uns höhnisch an. Sie hatten wieder ihre lückenlose Reihe gebildet und standen Schulter an Schulter.
    »Du bist jetzt eine von ihnen, nicht wahr?«, sagte Rachel zu mir. »Ich habe dich doch davor gewarnt, dich ihnen anzuschließen. Wir sind euch zahlenmäßig weit überlegen. Das Blatt hat sich zugunsten des Lichts gewendet. Du hättest gerettet werden können.«
    »Solange ich keine von euch bin, bin ich glücklich«, erwiderte ich.
    »Zwei Tage«, sagte Rachel. »Mehr Zeit bleibt dir nicht mehr. Wenn das Unwetter kommt, wirst du dir wünschen, du hättest dich anders entschieden.«
    »Und was macht ihr, wenn die Welt nicht untergeht?«, fragte ich sie. »Beweist das dann ein für alle Mal, das Prophet ein Scharlatan ist, oder wird er sich irgendeine Ausrede einfallen lassen, wird er euch einreden, Gott hätte euren Glauben auf die Probe gestellt?«
    »Prophet ist ein wahrer Prophet Gottes«, erwiderte Rachel und gab sich alle Mühe, mich niederzustarren. Ich muss zugeben, sie war gut darin. »Er täuscht sich nie. Du wirst schon sehen.«
    Ich entgegnete mit mehr Selbstvertrauen, als ich empfand: »Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie sich euer Prophet vor der ganzen Welt zum Narren macht.«
    Rachel trat mit funkelnden Augen einen Schritt auf mich zu. Sie ließ die Arme hängen, und in einer Hand hielt sie noch immer die Schere, die schnipp, schnipp, schnipp machte.
    Katrina ging zur Tür. »Lass uns von hier verschwinden«, sagte sie.
    Ich hatte ausnahmsweise einmal kein Problem damit zu tun, was sie von mir verlangte.
    19
    E inmal mehr fand ich mich mit Katrina in der Mädchentoilette wieder, obwohl ich eigentlich nach meinem Bruder hätte suchen sollen. Zumindest wusste ich so, dass er nicht bei der Suchenden war, der ich am wenigsten vertraute.
    Ich lehnte mich gegen ein Waschbecken und beobachtete, wie sie mit zitternden Fingern an den Überresten ihres Haars herumzupfte.
    »Vielleicht sollten wir jemandem erzählen, was passiert ist«, schlug ich vor. »Dem Direktor oder wer auch immer jetzt das Sagen hat. Wahrscheinlich würden Rachel und die anderen Jünger dann von der Schule fliegen.«
    Katrina ließ resignierend die Arme sinken. »Das ändert doch auch nichts.«
    Ihre Augen waren feucht, und ihr Gesicht war ausdruckslos. Sie gab keinen Laut von sich. Dann kullerten Tränen aus ihren Augen, eine nach der anderen. Ihr Kinn zitterte, und ihre Selbstbeherrschung war dahin. Irgendwo tief in ihr löste sich ein einzelner Schluchzer.
    »Meine Haare …« Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    Ich hatte ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Ich konnte nicht umhin, den Druck von Tränen des Mitgefühls zu spüren, die versuchten, sich zu lösen, und dachte an all die Male, als mir das Haar versengt worden war und ich nicht nur ein Monstrum mit Blitzschlag-Narben gewesen war, sondern ein kahlköpfiges Monstrum mit Blitzschlag-Narben.
    »So schlimm ist es auch wieder nicht«, sagte ich schließlich. »Eigentlich sieht es sogar ganz cool aus. Du musst nur alle auf eine Länge schneiden und ein bisschen Gel verwenden. Dann siehst du aus wie Audrey Hepburn. Richtig elegant.«
    Katrina ließ die Hände sinken. Schwarze Wimperntuschetränen zeichneten geschwungene Spuren auf ihre Wangen. »Danke, dass du mir da oben geholfen hast. Ich weiß, dass du nicht gerade ein Fan von mir bist. Du hättest mich auch mir selbst überlassen können, und ich weiß nicht, ob sie mir dann nur meine Haare abgeschnitten hätten.«
    Ich blickte zu Boden und dachte daran, wie lange ich durch das Fenster in der Tür tatenlos zugesehen hatte. Wenn ich früher eingeschritten wäre, hätte Katrina ihr Haar womöglich noch gehabt.
    »Keine Ursache«, entgegnete ich bescheiden. Man konnte leicht bescheiden sein, wenn es nichts gab, worauf man stolz sein konnte.
    »Und es tut mir leid«, sagte Katrina. »Du weißt schon, dass ich dich erpresst habe. Aber ich habe einfach keine andere

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