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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Rationellste sein, alle Menschen zu töten, sobald sie alt geworden sind, damit sie keine Last darstellen, aber das kann man auch nicht tun, weil – «
    »Die Eskimos, die Scheiß-Inuit, die haben früher genau das gemacht«, fiel mir Yolanda ins Wort. »Aber nicht, wenn du ein bestimmtes Alter erreicht hast, sondern wenn du nicht mehr für dich selbst sorgen konntest. Wenn du dich fit gehalten hast, konntest du steinalt werden.«
    »Vielleicht hatten sie keine andere Wahl. Ich will auch nur sagen, daß Moral über Rationalität geht. Und außerdem würde größtmögliche Rationalität am Ende doch nur zwangsweise weniger Auswahl bedeuten; das Rationellste wäre es, wenn alle das gleiche Auto führen, da Wirtschaftlichkeit proportional zur produzierten Menge steht. Oder wenn es überhaupt keine Privatautos mehr gäbe. Das würde dir doch auch nicht gefallen, oder?«
    Yolanda grinste und schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht, was Kapitalismus bedeutet, oder, Isis?«
    »Nach dem zu urteilen, was ich gehört habe, verstehen die besten Wirtschaftsexperten der Welt den Kapitalismus ebenfalls nicht, oder sind sie heutzutage alle einer Meinung und es gibt keine Aufschwünge und Konjunktureinbrüche mehr, sondern nur noch eine beständig ansteigende Wachstumsrate?«
    »Kind, kein System ist perfekt, aber das hier ist das beste, das wir haben, und darum geht’s.«
    »Nun, ich finde, unser System funktioniert besser«, erklärte ich, während ich mich steif auf meinem Sitz zurechtsetzte, die Hände im Schoß gefaltet. »Unser Anwesen auf High Easter Offerance ist ein Musterbeispiel für archaische Arbeitsmethoden, Ineffizienz und personelle Überbesetzung, und jeder ist ausgesprochen glücklich.«
    Yolanda lachte. »Schön für euch, Isis, aber ich glaube nicht, daß man es mit Erfolg in einem größeren Maßstab umsetzen könnte.«
    »Vielleicht nicht, aber ich bin überzeugt, daß Befriedigung für sich selbst spricht und es nicht nötig hat, an den Altären der falschen, kaltherzigen Götzen des Mammons und der Rationalität zu beten.«
    »Mann«, rief Yolanda aus und spähte forschend zu mir herüber. »Sprichst du hier ex cathedra, o Auserwählte?«
    »Laß uns einfach sagen, wenn die Leitung der Gemeinde in meine Hände übergeht, wie es leider eines Tages unvermeidbar sein wird, dann wird es keine Veränderungen in der Führung des Hofs und der Gemeinschaft geben.«
    »Schön für dich, Darling; mach’s, wie es dir gefällt. Laß dich nicht von mir zu was anderem überreden.«
    »Ganz wie du meinst.«
    *
    Wir waren von Dudgeon Magna nach Bath zurückgekehrt, um zu überlegen, was wir nun tun sollten. Wir tranken eine weitere Margarita. Wir vermuteten, daß Morag zum La Mancha, Mr. Leopolds Haus in Essex, zurückgekehrt sein könnte; Yolanda versuchte, dort anzurufen, aber es war eine Geheimnummer, und ich hatte nicht daran gedacht, nach der Nummer zu schauen, als ich Gelegenheit dazu hatte, in der Diele neben dem Telefon, während Tyson den jungen Mann ablenkte.
    »Wie weit ist es nach Essex?« fragte Yolanda.
    »Hundert… hundertfünfzig Meilen?« schätzte ich. »Jenseits von London.«
    »Willst du hinfahren, oder willst du jetzt wieder rauf in den Norden?«
    »Ich weiß nicht«, gestand ich, während ich im Wohnzimmer von Großmutter Yolandas Suite auf und ab tigerte, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Ich saß in einer Zwickmühle. Es gefiel mir gar nicht, was in High Easter Offerance vor sich zu gehen schien, und mein erster Instinkt war, so schnell wie möglich dorthin zurückzukehren, um nachzusehen, was los war, und mich der Sache anzunehmen. Doch andererseits befand ich mich auf einer wichtigen Mission, und Morag/Fusilladas Spur war noch nicht völlig erkaltet. Meine Aufgabe blieb also bestehen: Ich mußte versuchen, meine Cousine aufzuspüren und ihr ins Gewissen zu reden. Ich tigerte weiter auf und ab. Meine neue Lederhose knarrte und quietschte, und ich hätte am liebsten gekichert. Was mich erinnerte. Ich blieb stehen und sah Yolanda durchdringend an. »Bist du auch wirklich imstande, Auto zu fahren, Oma?«
    Yolanda hob ihr Glas. »Noch ein Gläschen, und ich kann bei jedem Formel-1-Rennen mitmachen.«
    »Vielleicht sollten wir den Zug nehmen.«
    »Unsinn. Aber wohin fahren wir denn?«
    »Nach Essex«, entschied ich. Ich steckte die Hände in die Taschen meiner schicken Hose. »Meinst du, meine alten Kleider sind schon gewaschen?«
    *
    Das La Mancha stand dunkel, stumm und verschlossen

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