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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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kommt ja eigentlich erst viel später…« Ich lächelte ihr zu.
    Bernadettes Lächeln wurde noch breiter und noch hohler als zuvor. »Ah«, sagte sie. »Aber du wirst dir jetzt sicher nicht die Mühe machen wollen, das alles zu erzähl – «
    »Die Fahrt nach Edinburgh verlief ohne Probleme«, begann ich. »Das Reifenschlauch-Floß hat mir wirklich gute Dienste geleistet, wie ich Bruder Indra vorhin schon sagte. Der schlimmste Teil der Flußfahrt war sicher, als ich durch das Wehr mußte; das Stück, wo der Fluß breiter und die Strömung stärker wird…« Ich lehnte mich noch weiter zurück und machte es mir richtig bequem.
    Ich ließ mir Zeit. Bernadette stand da und fixierte mich mit einem Lächeln, das so breit und verkrampft war, daß man durch es hindurch das Entsetzen darunter erkennen konnte, während ihre weit aufgerissenen Augen verzweifelt in ihren Höhlen hin und her huschten wie zwei gefangene Tiere, die ihren Käfigen entfliehen wollten. Das Geräusch eines größeren Fahrzeugs, das sich auf der Straße näherte, ließ ihre Miene noch angespannter werden und rief eine Art nervöses Zucken in ihrem Kopf hervor, als sie versuchte, mich anzusehen und gleichzeitig die Straße im Auge zu behalten.
    Ich glaube jedoch, daß sie sich nach einer Weile in eine gewisse Resignation ergab; ein benommener Ausdruck breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und ich gewann den Eindruck, ihr Gehirn hätte die Verbindung zu ihren Gesichtsmuskeln unterbrochen, vielleicht eine Art Streik wegen Überarbeitung. Ich war gerade bei meinem Rückflug mit Oma Yolanda angelangt, als der Bus vorfuhr. Bernadette war mittlerweile so weggetreten, daß sie es nicht einmal bemerkte.
    Der Bus fuhr wieder weiter, und da stand Onkel Mo, klein und schick mit einem Kamelhaarmantel, der wie ein Umhang über seinen Schultern lag, und einer Ledertasche in seiner Hand.
    Bernadette schien erst zu sich zu kommen, als ich die Hand hob, um ihm zuzuwinken. »Oh, schau nur«, sagte ich. »Da ist Onkel Mo. Du meine Güte. Was für eine Überraschung.«
    »Was?« murmelte sie und drehte sich um, als ich aufstand. Ich ging über den unkrautüberwucherten Asphalt auf Onkel Mo zu. Bernadette lief mir hinterher.
    »Schwester! Nichte!« rief Onkel Mo; er ließ seine Tasche fallen und breitete die Arme aus. »Ihr hättet nicht extra herkommen müssen, um mich zu begrüßen!«
    »Das sind wir nicht, ehrlich!« quiekte Bernadette, während ich Onkel Mo umarmte und von ihm umarmt wurde. Er roch stark nach Eau de Cologne.
    »Isis«, sagte er strahlend. Er küßte meine Wange. Seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich ein kleines Menjou-Bärtchen stehen lassen und war etwas pummeliger geworden. »Wie schön, dich zu sehen.«
    »Hallo, Onkel. Welch unerwartete Freude.«
    »Ach, eine plötzliche Laune, mein liebes Kind. Ich wollte schon vor dem Fest hier sein. Äh… Schwester«, sagte Mo und schüttelte Bernadettes Hand. »Mary, war’s nicht so?«
    »Äh, nein; Bernadette.«
    Onkel Mo schnippte mit den Fingern. »Bernadette, natürlich.« Er tippte sich an die Stirn, dann streckte er eine Hand aus und blickte zum Himmel. »Wie habe ich dich genannt?« fragte er.
    »Mary«, erwiderte sie.
    »So geht’s einem. Da will ich Bernadette sagen, und heraus kommt Mary. So geht’s einem. Nun. Also. Geht es euch beiden gut? Sind alle wohlauf?«
    »Durchaus«, erklärte Bernadette, während ich Onkel Mos Tasche nahm. Bernie sah verärgert aus, so als hätte sie daran denken müssen, es zu tun.
    »Nichte«, lachte Onkel Mo und streckte beide Hände nach der Tasche aus. »Bitte, ich bin noch nicht so alt und tattrig, daß ich sie nicht selbst nehmen kann.«
    »Laß mich sie tragen, Onkel«, bat ich. »Es wäre mir eine Ehre.«
    »Nun. Nun, wenn du… ja, nun, was soll’s? Warum eigentlich nicht?« Er räusperte sich. »Also. Isis. Wie ich hörte, bist du wieder einmal herumgereist.«
    »Ja, Onkel. Ich habe die Possils in Edinburgh und Bruder Zeb in London besucht.«
    »Zeb!« rief Onkel Mo aus und nickte. »Ja. Natürlich. Ich erinnere mich. Du meine Güte, ich habe Zeb nicht mehr gesehen, seit er so klein war.« Er hielt seine Hand auf Taillenhöhe. »Also, wie geht es Zeb?«
    »Oh, er ist groß geworden, Onkel«, erwiderte ich.
    »Prächtig. Prächtig. Also, wir sind alle wohlauf.«
    »Ja, alle sind wohlauf, Onkel«, erklärte ich ihm, während wir zu der kleinen Pforte gingen. »Allerdings, um ganz ehrlich zu sein, ich habe im Moment einige Probleme, aber

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