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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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milder Tag mit wolkigem, doch blauem Himmel; ich ging zum Hauptpostamt, erstand einen gepolsterten Umschlag und schickte Onkel Mos Telefon an seine Adresse in Spayedthwaite, dann begab ich mich zum Royal Commonwealth Pool, wobei ich auf dem Weg noch kurz in einer Buchhandlung haltmachte, um in einem Straßenatlas die Ortschaft Mauchtie in Lanarkshire zu suchen. Und ich fand sie tatsächlich, unweit von Hamilton.
    Ich erreichte das Schwimmbad im Schatten von Arthur’s Seat. Ich ging einmal um das Gebäude und entdeckte an dessen Rückseite die besagten Rutschen; riesige farbige Plastikröhren, die ein wenig an die Schuttrutschen erinnerten, die man an Gebäuden sieht, die gerade renoviert werden. Es gab vier dieser Röhren: eine große, sanft geschwungene weiße, deren oberer Abschnitt entweder durchsichtig oder halbdurchsichtig war; zwei steilere, gewundene Rutschen in Gelb und Blau; und eine fast vertikal anmutende schwarze.
    Ich setzte mich eine Weile auf das Gras am Hang von Arthur’s Seat, schaute zu den Gebäuden hinüber und badete mich im weichen, wolkengefilterten Sonnenschein, dann begab ich mich an die Kasse des Schwimmbads, stieg die Treppe zu den Umkleidekabinen hinunter, zwängte mich mühsam in meinen abgewetzten und schon recht knapp sitzenden alten Badeanzug (einst war er gelb gewesen, doch nach jahrelangem Schwimmen im schlammigen alten Forth war er längst zu haferfarben verwaschen) und brachte – nachdem ich meinen Seesack in das winzige Schließfach gestopft hatte, das man mir zugeteilt hatte – zwanzig Minuten damit zu, Bahnen zu schwimmen, die überwältigende Größe des Schwimmbads zu bewundern und interessiert die Wasserrutschen zu studieren, die man über eine hohe Wendeltreppe erreichte und von denen drei in ihrem eigenen kleinen Becken mündeten. Die vierte Rutsche – anscheinend die schwarze Röhre, die ich zuvor draußen gesehen hatte – spie ihre Benutzer in eine langgestreckte, wassergefüllte Wanne. Nach den gelegentlichen Kreischern und der Geschwindigkeit zu urteilen, mit denen die Leute aus der schwarzen Öffnung jener letzten Rutsche schossen, schien diese die aufregendste zu sein.
    Ich hatte die ganze Zeit über die Ausgänge der Umkleidekabinen im Auge behalten, und nach zwanzig Minuten erspähte ich jemanden, den ich mit einiger Sicherheit als den jungen Mann erkannte, den Cousine Morag Ricky genannt und den ich eine Woche zuvor im La Mancha angetroffen hatte. Er trug eine kurze Badehose und war schon ein prächtiges Mannsbild: sonnengebräunt, blond und muskulös; und ich war beileibe nicht das einzige weibliche Wesen, das ihn anschaute. Ich konnte mir vorstellen, daß auch etliche der Männern ihn eingehend musterten, die meisten mit neidischen Blicken. Er ging bis zur Mitte des Beckenrands und baute sich dort auf, die Beine leicht gespreizt, die massigen Arme kernig unter beeindruckenden Brustmuskeln verschränkt. Seine Stirn war gerunzelt, während er den Blick durch das Schwimmbad schweifen ließ. Ich schwamm zweimal auf dem Rücken an ihm vorbei, doch er schien mich nicht zu bemerken.
    Fünf Minuten später tauchte Cousine Morag auf und zog sogar noch mehr Blicke auf sich. Sie trug, wie ich, einen Einteiler, doch damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Ihr Badeanzug war schwarz und glänzend. Die Beinausschnitte reichten bis hoch an die Hüfte, und an den Seiten war von der Beinkante bis zu den Achselhöhlen durchscheinender schwarzer Netzstoff eingesetzt, der sich aufreizend an ihre schmale Taille schmiegte. Der Badeanzug besaß rein prinzipiell einen hochangesetzten Halsausschnitt, dessen verhüllende Wirkung jedoch gänzlich von einem weiteren tief hinabreichenden und breiten Netzstoff-Einsatz aufgehoben wurde, durch den man deutlich das sich wölbende Dekolleté ihrer beachtlichen Brüste sehen konnte.
    Sie gesellte sich zu dem jungen Mann am Beckenrand – Götter unter den Sterblichen. Beide ließen ihre Blicke über die Schwimmer und jene, die am Beckenrand saßen oder entlanggingen, schweifen; Morag schaute zu den Wasserrutschen hinauf. Sie hatte ihr langes kastanienbraunes Haar zu einem Knoten hochgebunden, der von einem schwarzen Band gehalten wurde. Als ihr Blick in meine Richtung wanderte, hob ich die Hand und winkte ihr zu.
    Sie winkte zurück und lächelte verhalten. Ich drehte mich auf den Bauch und schwamm zu den beiden hinüber, da ich mir dachte, daß Morag sich – so sie sich immer noch in irgendeiner Weise von mir bedroht wähnte –

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