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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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einen weiterführenden Unterricht zu bieten und sogar einmal den Grundstein für ein College zu legen, aber in der Zwischenzeit bietet die Academy eine befriedigende Alternative.
    Ich hatte meine Zeit dort genossen und war auch rückblickend noch überzeugt, von meinem dortigen Besuch profitiert zu haben. Wenn ich des Morgens die jüngeren Brüder und Schwestern sehe, die sich zum Schulbus aufmachen, regt sich in mir bis zum heutigen Tage eine gewisse wehmütige Erinnerung an die Tage, als ich selbst ein Sitzbrett und einen Ranzen über die Brücke, vorbei am Haus der Woodbeans und die Auffahrt hinunter zum rostigen Tor trug (die Ranzen erklären sich von selbst; die Sitzbretter hatten wir dabei, weil es im Bus nur gepolsterte Sitze gab, die wir nicht benutzen durften, und so brachten wir unsere eigenen harten Holzbänke mit, die uns während der Fahrt als Sitzplatz dienten. Rebellion bestand damals darin, auf den weichen Polstern zu sitzen und das Brett mit einem Rollschuh darunter als Skateboard zu benutzen).
    Die in einer alten Burg in den Wäldern oberhalb von Killearn untergebrachte Academy ist ein guter Ort, um zu lernen; ich bin sicher, einigen Schülern und Eltern muß sie allerdings sonderbar spartanisch und sogar exzentrisch vorkommen, mit ihrer seltsamen Mischung aus archaischem Mobiliar und ebenso archaischen Traditionen (während meines ersten Jahres dort mußte ich mit Kreide auf Schiefertafeln schreiben), einem offenen Lehrplan, einer lockeren Disziplin und unkonventionellen Lehrern, aber für uns Luskentyrianer mutet es im Vergleich zur Gemeinde eher wie ein Hort des Luxus, der Ordnung und des gesunden Menschenverstands an.
    Neben ihrer Rolle als Lehrstätte ist die Academy traditionell der Ort gewesen, an dem junge Luskentyrianer mehr über die außerschulische Welt erfuhren, wo sie Kontakt mit den Kindern der Unerretteten pflegten und den alltäglicheren pubertären Interessen wie Popmusik, Comics, der Verehrung von Sports- und Kulturgrößen, der Verwendung von umgangssprachlichen Ausdrücken und so weiter ausgesetzt waren. Dies kann ein traumatisches Erlebnis für ein Kind der Gemeinde sein, allerdings sind wir gemeinhin vorgewarnt von denen, die vor uns die Schule besuchten, und kommen in Gruppen, die jenen, die es brauchen, Beistand leisten können, und darüber hinaus haben wir unseren Glauben, der uns bei jeglicher pubertären Angst, in die wir gegebenenfalls verfallen könnten, Trost spendet. Außerdem verfügen wir im Vergleich zu unseren unerretteten Mitschülern allgemein – dank der aufgeklärten Atmosphäre der Gemeinde – über ein überragendes (wenn auch zumeist nur theoretisches) Wissen in bezug auf Sex und Drogen, was bedeutet, daß wir nicht zurückstecken müssen, was das Beeindrucken von Altersgenossen anbelangt.
    Jedenfalls habe ich meine Schulzeit genossen, und ich nehme an, man könnte sogar sagen, meine Leistungen waren glänzend, wenn das nicht zu unbescheiden ist. In der Tat haben einige meiner Lehrer versucht mich zu überreden, nach der Schule auf die Universität zu gehen, um Physik oder Literatur zu studieren, doch mein Großvater und ich wußten, daß ich eine heiligere Bestimmung hatte und daß mein rechtmäßiger Platz bei – und in – der Gemeinde war.
    Ich kehrte der Schule den Rücken und ging weiter.
    *
    Am Ende brauchte ich zwei Tage, um Edinburgh zu verlassen. Ich verbrachte jenen Tag mit dem fruchtlosen Versuch herauszufinden, wie ich mich am Bahnhof Waverly als blinder Passagier in einen Schienenbus einschmuggeln könnte, aber es schien zu schwierig (zu meiner Überraschung sah ich ein Schild, auf dem stand, daß dieser Liniendienst in allernächster Zukunft gänzlich eingestellt werden würde). Ich hätte einfach auf einen Zug Richtung London aufspringen und mich auf meinen Erfindungsgeist verlassen können, um den Schaffnern zu entgehen – wir haben für derartige Gelegenheiten unsere eigene Nonsenssprache und einen Gesichtsausdruck ähnlich dem eines verständnislosen Ausländers perfektioniert –, oder ich hätte eine Fernreisevariante jener Methode anwenden können, die wir Busspringen nennen. Ich befürchtete jedoch, daß sich diese Methode über eine solche Entfernung als problematisch erweisen könnte, und außerdem – was noch wichtiger war – mangelte es ihr an der nötigen Heiligkeit. Wir haben nichts gegen Zugfahrten – solange wir entweder auf dem Boden des Gepäckwagens hocken oder unsere mitgebrachten Sitzbretter benutzen, um nicht dem

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