Die Auserwählte
höchstwahrscheinlich wohl auch niemals tun wird, selbst wenn wir ihr – in ihren eigenen Worten – ein Büßerhemd von Guutschie zeigen würden.
Ich muß gestehen, daß mir ein bißchen unwohl zumute war, umgeben von all diesem Luxus, aber ich fand, daß es schlicht der Ausgleich für meine Nacht im Freien und meine Nacht in der Zelle war, ganz zu schweigen von der ungebührlichen Behandlung durch die Polizei.
Yolanda war am Freitag mit dem Flugzeug in Glasgow eingetroffen, hatte ein Auto gemietet und war auf dem Weg nach Gleneagles erst einmal in High Easter Offerance vorbeigefahren. Man hatte ihr erzählt, daß ich bei Bruder Zebediah in London sei, und so war sie nach Edinburgh gefahren und von dort nach Heathrow geflogen, hatte ein weiteres Auto gemietet, war außerstande gewesen, den Weg zu dem besetzten Haus zu finden, hatte schließlich ein Taxi angehalten und war ihm zu der Adresse in Kilburn gefolgt, wo Zeb ihr sagte, daß ich nach Dudgeon Magna abgereist sei. Gestern war sie mit dem Zug von London nach Bath gefahren, hatte abermals ein Auto gemietet – »Scorpion oder irgendwie so hieß er; sieht aber eher wie ein toter Fisch aus. Wann lernt ihr endlich, anständige Autos zu bauen? Sollte ’ne Limousine sein, aber ich fand, er hatte noch nicht mal die Größe eines Kleinwagens…« – und war nach Dudgeon Magna gefahren.
Ich verfluchte mich im stillen, daß ich Zeb nicht genau gesagt hatte, wohin ich unterwegs war; welcher Instinkt mich auch immer getrieben haben mochte, ihm gegenüber nichts von Clissolds Gesundheitsfarm und Country Club zu erwähnen, es war offensichtlich des Ergebnis davon, daß meine Seele schon von der Lebensweise der Unerretteten vergiftet war. Nun, jedenfalls hatte Yolanda in Dudgeon Magna keine Spur von mir entdecken können, und so war sie in ihr Hotel zurückgekehrt, um sich ihre nächsten Schritte zu überlegen, als sie in den Regionalnachrichten im Fernsehen sah, wie ich zu Unrecht festgenommen wurde; es hatte bis heute morgen gedauert, bevor sie herausgefunden hatte, wo ich war, und zwei Anwälte engagiert hatte, um mit ihnen zusammen die Polizei »aufzumischen«, wie sie es nannte.
Nachdem sie die Anwälte entlassen und zusammengestaucht hatte, weil sie keine Sofort-Bezahlung mit einer American-Express-Card akzeptierten, hatte sie eine schwindelerregend schnelle Fahrt von Bristol nach Bath darauf verwandt, mir in allen Einzelheiten zu erzählen, was sie erlebt hatte, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Ein athletischer junger Swimmingpool-Pfleger aus Los Angeles namens Gerald fand recht häufig Erwähnung, ebenso wie die noch tobende Schlacht mit dem Amt, das für die Warteliste für Floßfahrten auf dem Colorado River durch den Grand Canyon zuständig war; für Großmutter schien die Vorstellung einer fünfjährigen Wartezeit für irgend etwas in den Vereinigten Staaten nicht nur nachgerade obszön, sondern sogar gleichbedeutend mit einem Verrat am amerikanischen Traum; hängen wäre noch zu schade in einem solchen Fall (»Ich meine, sind diese Leute denn Kommunisten, verflucht noch mal?«). Nachdem sie sich das von der Seele geredet hatte, konnte sie sich darauf konzentrieren, mir ihre Erlebnisse der letzten Tage zu schildern, unter besonderer Berücksichtigung detaillierter kritischer Anmerkungen zu den verschiedenen behördlichen Unzulänglichkeiten und organisatorischen Absurditäten, mit denen sie zu kämpfen hatte, während sie versuchte, mich aufzuspüren (»Du darfst hier nicht mal bei Rot an der Ampel rechts – nun, ich meine links – abbiegen; ich habe es heute morgen getan, und die gottverdammten Anwälte wären mir fast aus dem Wagen gehüpft. Was ist denn bloß los mit euch?«).
Während meine Großmutter weiter wetterte, sah ich in meinem Seesack nach, um mich zu vergewissern, daß noch alles da war (»Jemand hat sich an meinen Phiolen zu schaffen gemacht!« hatte ich gejammert. »Klasse. Wir werden sie verklagen!« hatte Yolanda erwidert und uns mit dem Auto in ein weiteres abenteuerliches Überholmanöver gestürzt).
»Du bist also in Eile, Oma?« fragte ich, während ich den Teller mit einem Pfannkuchen sauberwischte.
»Kind«, erklärte Yolanda mit kehliger Stimme und legte eine mit Edelmetallen und -steinen überladene Hand auf meine Schulter, »nenn mich niemals ›Oma‹.«
»Tut mir leid, Großmutter«, sagte ich und grinste sie keck an. Das ist so eine Art Ritual zwischen uns beiden, jedesmal wenn wir uns treffen. Ich wandte mich
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