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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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ich bin mir ziemlich sicher. Hinten auf dem Flur.«
    »Okay, Niels, ich mache das, ich gehe dahin.«
    »Lauf!«
    Hannah legte auf. »Ich gehe Niels helfen.«
    »Soll ich anrufen, wenn ich bei den Patienten jemanden finde?«, fragte Casper.
    Hannah sah aus dem Fenster. Nur noch der oberste Rand der Sonne war zu sehen.
    »Nein, mehr schaffen wir nicht mehr.«

76.
    76.
    Santa Croce, Venedig
    Das offizielle Venedig war eine Boutique, die rund um die Uhr geöffnet hatte. Prinzessinnen und Scheichs, Politiker und Promis aus dem In-und Ausland überfluteten die Stadt, und die Polizei verwendete einen Großteil ihrer Ressourcen darauf, sie zu empfangen und vom Hotel zum Markusplatz und wieder zurück zu eskortieren. Tommaso erinnerte sich nicht einmal mehr daran, woher die letzte Prinzessin gestammt hatte. Er hatte sie über den Canal Grande gebracht, während in Rialto winkende Touristen gestanden hatten. In diesen Augenblicken war Venedig nicht mehr als ein Disneyland, vielleicht mit etwas besserem Geschmack und gutem Essen.
    Zum Glück konnte er am Abend Fußball spielen, wenn es ihm bis dahin wieder etwas besser ging. Das Stadion lag weit draußen beim Arsenal, den Neubaugebieten und der Werft. Dort war Venedig mit seiner ewig verschlammten Grasnarbe, dem muffigen Gestank der Lagune, dem harten Licht der Scheinwerfer und der Sozialbauten, die ringsum wie eine Mauer aufragten, alles andere als ein Disneyland.
    Tommaso wusste, dass er eigentlich ins Bett gehörte. Stattdessen lief er in Gummistiefeln in Richtung Bahnhof. Was für ein Empfang für den Justizminister! Dieser Mann konnte auf keinen Fall das nächste Opfer sein – dessen war Tommaso sich sicher. Denn der frühere Sekretär des korrupten Premierministers war nur Justizminister geworden, um ein Netzwerk undurchsichtiger Gesetze zu flechten, die sicherstellen sollten, dass Berlusconi weiterhin auf freiem Fuß blieb. Tommaso lief über den Ponte delle Guglie zum Bahnhof. Die Straßenverkäufer hatten ihre Buden längst zusammengepackt und das Weite gesucht. Die Touristen saßen mit nassen Füßen in ihren Hotelzimmern und studierten ihre Reiseversicherung, um herauszufinden, ob sie aufgrund der Überschwemmung Anspruch auf Kostenrückerstattung hatten.
    Endlich hatte er den Bahnhof vor sich. Santa Lucia. Die äußerst breite Treppe – Adlerschwingen und gerade Linien – war noch ein Relikt aus der Zeit, die Tommasos Vater unterstützt hatte. Eine Vergangenheit, die unablässig in den Startlöchern saß, um wieder in die Gegenwart zu gelangen. Carabinieri, Militärpolizisten, standen auf der Treppe und verwehrten ihm den Zutritt.
    »Ich bin Polizist«, sagte Tommaso.
    »Legitimation?«
    Er wühlte durch seine Taschen und war verloren. Seinen Dienstausweis hatte er abgeben müssen.
    »Ich kann meinen Ausweis nicht finden.«
    »Dann müssen Sie warten«, sagte der Beamte von der Militärpolizei. »In zehn Minuten sind sie draußen.«
    Scheiß Militärpolizei! Die gewöhnlichen Polizisten konnten die Carabinieri mit ihren glänzenden Uniformen und blank polierten Schuhen nicht leiden. Tommaso lief außen um den Bahnhof herum, vorbei an der Kirche zur Gepäckannahme, die nicht bewacht wurde. Er blieb einen Augenblick stehen und hörte das Signalhorn des Zuges, der sich dem Bahnhof näherte. Ihm blieb nicht viel Zeit. In wenigen Minuten würde hier auf diesem Bahnhof ein Mord verübt werden. Wenn er ihn nicht verhindern konnte.

77.
    77.
    Rigshospital, 15.37 Uhr Hannah lief nicht in die Richtung, wo Niels sie haben wollte. Sie hatte noch immer dieses Gefühl und schmeckte den herannahenden Tod auf den Lippen.
    »Entschuldigen Sie«, fragte sie einen Pfleger. »Zur Chirurgie?«
    »Da müssen Sie eine Etage weiter nach unten. Aber das ist ganz am Ende des anderen Flügels«, antwortete er und hielt ihr die Tür auf.
    »Danke.«
    Gemeinsam mit dem Pfleger, der einen Patienten mitsamt seinem Bett in einen anderen Raum brachte, betrat sie den Fahrstuhl. Hannah wusste, dass das System korrekt war – die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums belief sich auf eins zu vielen Millionen. Vierunddreißig Koordinaten, die mit einer solchen Exaktheit platziert waren, konnten kein Zufall sein.
    »Hier müssen Sie dann raus«, erklärte der Pfleger. »Und dann in die andere Richtung.«
    »Vielen Dank.«
    Hannah begann zu laufen, und der steigende Puls beschleunigte ihre Kalkulationen noch mehr: vierunddreißig Morde. Zwei standen noch aus. Hannah war sich sicher. Und ebenso sicher war

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