Die Auserwählten
ist jetzt hier?«
»Er forscht an der Universität, aber einige Abteilungen hier im Krankenhaus arbeiten mit dem Institut zusammen.«
»Wenn er nicht im Gebäude ist, ist er auch nicht in Gefahr«, konstatierte Hannah und betrachtete das Foto des Malariaforschers. ›Alexander der Große starb an Malaria, die als eine der drei weltweit größten medizinischen Herausforderungen gilt. Jährlich sterben mehr als drei Millionen Menschen an dieser Krankheit‹«, las Hannah unter dem Foto von Samuel Hviid, als ihr ein Gedanke kam. »Ruf in seinem Forschungszentrum an und erkundige dich, ob er wirklich hier ist.«
»Yes.« Thor rief an.
Casper suchte weiter und murmelte: »Gry Libak. Auch nicht schlecht.«
Thor unterbrach ihn: »Der ist wirklich hier. Also dieser Samuel Hviid. In einer Sitzung mit der Krankenhausleitung, Abteilung 5222.«
15.30 Uhr
Maria Deleuran war im Krankenhaus. Dessen war Niels sich sicher. Aber warum logen ihre Kolleginnen? Er sah, dass Hannah anrief, nahm das Gespräch aber trotzdem nicht entgegen. Im Pausenraum herrschte jetzt Aufbruchsstimmung. Niels wartete, bis die unfreundliche Matrone gegangen war, und folgte dann Marias Freundin Tove. Sie ging auf die Toilette. Niels drückte die Tür auf, bevor sie abschließen konnte.
»Was tun Sie da?« Sie sah Niels wütend an, der schnell die Tür hinter sich schloss. »Soll ich schreien?«
»Sie sollen mir sagen, wo sie ist.«
»Was wollen Sie denn? Warum ist das denn so wichtig? Sie können doch einfach warten, bis …«
»Ihr Leben ist unter Umständen in Gefahr«, unterbrach Niels sie.
Tove dachte einen Augenblick nach. »Warum? Maria ist ein Engel. Niemand würde ihr hier etwas zuleide tun. Ich kann das wirklich nicht glauben.«
»Vertrauen Sie mir.«
Tove wog ihre Worte genau ab, das sah Niels ihr an. Worte, die fast bereit waren, über ihre Lippen zu kommen.
»Sie ist gegangen. Ich weiß nicht, was ich Ihnen noch sagen soll.«
Tove verließ resolut die Toilette, als Niels’ Telefon erneut klingelte.
»Hannah?«
»Samuel Hviid. Du musst rüber in die Abteilung 5222. Er ist Wissenschaftler. Das Profil passt perfekt. Er ist gerade in einer Sitzung mit der Krankenhausleitung.«
***
Die Sekretärin blickte mit erstaunlicher Ruhe auf Niels’ Dienstausweis. Sie war ganz offensichtlich den Umgang mit Autoritäten gewohnt: Gesundheitsminister, wichtige Amtspersonen, Professoren und Forscher aus ganz Europa gaben sich bei ihr die Klinke in die Hand. Sie war die Schranke, die den Weg zum Direktor versperrte, und nicht einfach jemand, den man ignorieren konnte.
»Professor Hviid hat eine Sitzung mit der Direktion. Kann das nicht warten?«
»Nein.«
»Darf ich fragen, worum es sich handelt?«
»Ich muss mit Samuel Hviid sprechen. Jetzt.«
Sie stand mit provokanter Langsamkeit auf. Die Menschen in diesem Land brachten es wirklich fertig, dass man sich als Polizist wie ein Störenfried fühlte, lästig und ungebeten, dachte Niels. Dafür behandelte sie die Leute der Geschäftsleitung wie das Orakel von Delphi: Sie klopfte vorsichtig und leise an die Tür und trat mit einer Entschuldigung auf den Lippen ein. Am Fernsehbildschirm hinter der Sekretärin sah Niels, was zuvor Hannah gesehen hatte. Die Klimakonferenz war in ihrer allerletzten Phase, und einer der wichtigsten Wortführer war kollabiert. Die Presse war bereits vor Ort, um alles zu dokumentieren.
Die Sekretärin sprach noch immer mit den Direktoren. Der Konferenzraum hatte Glaswände; Transparenz und Durchsichtigkeit – als wollte man unterstreichen, dass hier keine zwielichtigen Entscheidungen gefällt wurden. Niels sah zu ihnen hinein, und die Anwesenden erwiderten seinen Blick. Er konnte allerdings nicht hören, was gesagt wurde. Nur das leise Geräusch des Fernsehers störte die Stille: ›… kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich um einen Kreislaufzusammenbruch oder etwas Ernsteres handelt. Auch ein Schlaganfall ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszuschließen. Ein Rettungswagen ist in diesem Augenblick unterwegs.‹
Die Sekretärin kam zurück. »Bitte. Er kommt jetzt.«
»Danke.«
Samuel Hviid zog seine Hose etwas hoch und verließ den Raum. Der Rest der Geschäftsführung gab sich Mühe, die Neugier im Zaum zu halten.
»Samuel Hviid?«
»Was kann ich für Sie tun?«
»Niels Bentzon. Polizei Kopenhagen.«
Niels’ Telefon meldete eine SMS von Hannah: ›Wir haben noch eine: Gry Libak.‹
»Worum geht es?« Der Professor sah Niels mit
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