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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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bemerkte das überhaupt nicht und machte unbeeindruckt weiter. Die Geistesgegenwart schien ihm schon vor langer Zeit abhandengekommen zu sein. Er konnte froh sein, dass die Polizeibehörde noch einen Posten für ihn gefunden hatte. »Der Belt ist immer am stärksten betroffen«, murmelte er. »Ich habe in Kerteminde ein Boot liegen, da …«
    Niels musste ihm mit der Waffe an die Schulter tippen, damit Rishøj sie bemerkte. Aber er hatte keine Angst, war nicht einmal überrascht. Er verstand auch nicht, was hier vor sich ging.
    »Steigen Sie in den Wagen.« Niels nahm den Koffer heraus und reichte ihn Hannah.
    »Was?«
    »Sie sollen einsteigen. Setzen Sie sich auf die Rückbank.«
    »Warum das denn?« Rishøjs Stimme war kaum noch zu hören.
    Niels öffnete wortlos die Tür.
    »Geben Sie mir den Schlüssel.«
    »Ja, aber …«
    »Jetzt!« Niels wurde lauter. Offensichtlich war das notwendig, um den dicken Panzer zu durchdringen, den Rishøj sich durch seine jahrelange Wirklichkeitsverdrängung zugelegt hatte.
    Als Niels mit leisem Klicken die Wagentür öffnete, geschah etwas in Rishøjs Blick, und Niels begriff, dass er dem alten Polizisten einen Gefallen getan hatte. Dieser Moment war von entscheidender Bedeutung für den Beamten. Sein Bild von der Welt als eine Gemeinschaft voller friedliebender Menschen, das er sich über Jahrzehnte aufgebaut hatte, fiel in sich zusammen. Zurück blieb die Enttäuschung. ›Ich dachte, wir stünden alle auf einer Seite‹, sagte sein Blick.
    »Sie setzen sich jetzt in den Wagen«, sagte Niels ruhig, aber bestimmt.
    »Warum?«
    »Weil ich nicht nach Kopenhagen zurück kann. Ich muss weg.« Niels beugte sich über den Fahrersitz und hämmerte mit dem Kolben seiner Pistole auf das Funkgerät, bis lose Drähte aus dem Gerät hingen. »Ich brauche Ihr Handy.«
    Der Schlag kam für Niels vollkommen unerwartet und traf ihn hart. Der Schmerz zuckte durch seinen Schädel, und sein linkes Auge brannte.
    »Verdammt, was machen Sie denn?«, brüllte Rishøj. »Wollen Sie mich hier einschließen?« Der zweite Schlag traf ihn noch fester als der erste. Niels taumelte nach hinten, die Pistole fiel ihm aus der Hand. Als Rishøj seine Waffe zu fassen suchte, holte Niels aus und schlug zurück.
    »Niels!« Hannah stand direkt neben ihm. Niels brauchte ein paar Sekunden, um seine Gedanken zu sammeln. Das Morphin. Die Spritzen. Sie lagen im Handschuhfach. Rishøj stöhnte vor Schmerz und Verzweiflung. Niels nahm das Morphin, das als Beweismittel sorgsam in eine Plastiktüte verpackt war.
    »Der Koffer!«
    »Was?«
    Er schnappte sich den Koffer, nahm Hannahs Hand und begann zu laufen.
    Sie kletterten über die Leitplanke, rannten über eine zugefrorene Pfütze und weiter über die hart gefrorenen Felder. Als er einen Blick über die Schulter warf, sah er, wie der alte Polizist mit der Pistole in der Hand dastand und auf sie zielte. »Hannah, ich glaube, der …«
    Dann ein Einschlag in der gefrorenen Erde. Noch einer. Es klang wie Knallerbsen.
    »Er schießt auf uns«, rief Niels atemlos, während sie weiterrannten und im Schneegestöber verschwanden.
    ***
    Zwischen den Bäumen versanken ihre Schuhe tief in dem lockeren Schnee.
    »Kommt er hinter uns her?« Hannah drehte sich um.
    »Da vorne ist eine Straße.«
    Sie schluchzte. »Wo?«
    Niels war außer Atem. »Lauf einfach weiter.«
    Sie ließen die Bäume hinter sich und kletterten bei einem Rastplatz über die niedrige Hecke.
    »Und was jetzt? Wohin? Vielleicht können wir mit einem Auto mit …«
    Das Motorengeräusch eines Busses, der auf sie zukam, unterbrach Hannah.
    »Die Kavallerie«, murmelte Niels und streckte den Arm aus. Zu ihrer Überraschung hielt der Bus tatsächlich, so etwas gab es nur auf dem Land.
    »Na, hat das Auto in der Kälte den Geist aufgegeben?«, rief ihnen der Fahrer in singendem Fünisch entgegen. »Ich fahre nur bis zum Bahnhof, aber von da können Sie den Zug nach Odense nehmen.«
    »Danke.« Niels stieg als Erster ein und versuchte, dem Blick des Fahrers auszuweichen.
    Sie setzten sich ganz nach hinten und sahen nach draußen. Die eisglatte Straße zwang den Fahrer, langsam zu fahren, was völlig im Widerspruch zu Niels’ hämmerndem Puls stand. Aber es ging gleichmäßig vorwärts, und das war schließlich das Entscheidende.
    Niels hatte professionelle Verbrecher erlebt, die nach einem erfolgreichen, bis ins letzte Detail ausgeklügelten Coup – Überfälle auf Banken, Geldtransporter, Juweliere – plötzlich in

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